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Rente in Deutschland

1       Einleitung

Im Bundestagswahlkampf diesen Jahres garantierte der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wiederholt ein stabiles Rentenniveau von 48%1 und dass es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben wird2. Damit ist Scholz wiederholt auf Kritik gestoßen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt von einem „toxischen Erbe“ für die nächsten Generationen3. Wie richtig liegt die Süddeutsche mit ihrem Urteil? Wird diese Rentenpolitik tatsächlich ein „toxisches Erbe“ hinterlassen? Eins ist klar: angesichts des demografischen Wandels steht das deutsche Rentensystem vor schwierigen Aufgaben. Mit dem Renteneintritt der Baby Boomer-Generation verschiebt sich das Verhältnis zwischen Beitragszahler und Empfänger drastisch.

Im folgenden Aufsatz möchte ich zuerst einmal das gegenwärtige Rentensystem in seiner Komplexität zusammenfassen. Anschließend werde ich auf die gegenwärtige Lage in Deutschland und die bevorstehenden Probleme und Lösungsvorschläge eingehen, um schlussendlich zu einem Urteil zu gelangen.

2       Wie ist das gegenwärtige deutsche Rentensystem aufgebaut?

Die Rente in Deutschland beruht auf drei Säulen: der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. Dabei stellt die gesetzliche Rentenversicherung den Grundbaustein dar, denn jeder Arbeitnehmer ist zu einer gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtet. Über diese gesetzliche Rentenversicherung hinaus, gibt es die Möglichkeit eine betriebliche oder private Altersvorsorge zu nutzen.4

2.1      Gesetzliche Rentenversicherung

In die gesetzliche Rentenversicherung zahlt jeder Arbeitnehmer ein. Allerdings zahlen nicht alle Arbeitnehmer in denselben Topf, denn innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es Unterschiede: Gewisse Berufsgruppen nutzen ihr eigenes Vorsorgesystem. So gibt es zum Beispiel innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung die Beamtenversorgung, in welche ausschließlich Beamte einzahlen und aus welcher ausschließlich Beamte Rentenleistungen empfangen.

2.1.1     Die allgemeine Rentenversicherung5,6

In die allgemeine gesetzliche Rentenkasse zahlt jeder Arbeitnehmer, der nicht über eine anderweitige Versorgung von dieser Verpflichtung ausgenommen ist.

Der aktuelle Rentenbeitrag beläuft sich auf 18,6 % des Bruttoeinkommens, wobei die Hälfte vom Arbeitgeber übernommen wird. Dadurch zahlen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer jeweils 9,3% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers. Die allgemeine Rentenversicherung funktioniert durch ein Umlageverfahren. Das bedeutet, dass neue Zahlungen in die Rentenkasse genutzt werden, um die Rente anderer ehemaliger Beitragszahler zu finanzieren. Wer in die gesetzliche Rentenkasse einzahlt, erwirbt im Gegenzug einen Anspruch auf Rentenzahlungen. Das Mindestalter für einen Renteneintritt liegt bei 67 Jahren, insofern man einen Anspruch auf die volle Rentenhöhe erheben möchte. Geht man früher in Rente, muss man Kürzungen bei den Rentenzahlungen verkraften. Zusätzlich gibt es gewisse Ausnahmefälle wie zum Beispiel einen Renteneintritt wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

2.1.2     Freie kammerfähige Berufe7

Darüber hinaus gibt es für gewisse Berufsgruppen das System einer berufsständischen Versorgung. Freie und kammerfähige Berufe haben meist ein Versorgungswerk. Dementsprechend zahlen z.B. Ärzte, Rechtsanwälte oder Apotheker in ihr jeweiliges Versorgungswerk. Die Beitragshöhe bemisst sich auf ein ähnliches Niveau wie bei der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung. Allerdings werden die Beiträge angelegt; es handelt sich also um eine kapitalgedeckte Altersversorgung und nicht um ein Umlageverfahren.

2.1.3     Landwirte8

Genauso gibt es eine separate Alterssicherung für Landwirte. Dadurch zahlen Landwirte einerseits in einen eigenen Rententopf ein. Der zentrale Unterschied zur allgemeinen Rentenversicherung besteht darin, dass vom Einkommen unabhängige sogenannte Einheitsbeiträge erhoben und dementsprechend Einheitsleistungen erworben werden, während in der allgemeinen Rentenversicherung einkommensbezogen eingezahlt wird – je mehr du verdienst, desto mehr Rentenversicherung musst du zahlen.

2.1.4     Pension9

Zuletzt gibt es eine weitere Gruppe, die anderweitig versichert ist und in einen eigenen Topf einzahlt: die Beamten. Die sogenannte Pensionen werden ebenfalls durch ein Umlageverfahren finanziert. Die durchschnittliche Pension beläuft sich auf 2.600 Euro und somit auf fast das Doppelte des Rentenniveaus der allgemeinen Rentenversicherung

2.1.5     Vorteile der gesetzlichen Rentenversicherung

Ein Vorteil des deutschen Rentensystems ist, dass durch den direkten Fluss von Beitragszahler zu Rentenbezieher die Inflation keine Auswirkungen auf die Höhe der Rente hat. Genauso ist es ein System, dass – insofern es genug Beitragszahler gibt – eine sichere Rente ohne staatliche Zuschüsse verspricht. Außerdem haben Angehörige, wie im Fall der Witwenrente, ebenfalls Anspruch auf Rentenzahlungen.

2.1.6     Nachteile der gesetzlichen Rentenversicherung

Ein Problem des Umlageverfahrens ist, dass das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehenden stimmen muss. Kippt das Verhältnis beispielsweise in Richtung Rentenbezieher, sinken die Rentenbeiträge automatisch, da wenige Beitragszahlende zu viele Rentner finanzieren müssen. So passiert es gegenwärtig in Deutschland: im Jahr 2020 kamen auf 100 Beitragszahler 57 Rentner. Um das Umlageverfahren also garantieren zu können, muss die Demografie des Landes stimmen. Bei einem Land wie Deutschland, in dem jeder zweite Bürger älter als 45 Jahre ist, wird dementsprechend eine progressive Abnahme des Rentenniveaus prognostiziert – Stichwort: Demografischer Wandel.

Darüber hinaus sind gewisse Arbeitnehmergruppen von der gewöhnlichen gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen und zahlen stattdessen in einen eigenen Rententopf ein. Eine Vereinheitlichung zu einem riesigen Rententopf würde das Rentenniveau erhöhen, da die durchschnittliche Person, die in ein eigenes Versorgungswerk einzahlt, mehr verdient als die durchschnittliche Person, die in den Topf der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung einzahlt.  

Der schwerwiegendste Nachteil besteht darin, dass sich das Umlageverfahren nur unglaublich schwer abschaffen bzw. umwandeln lässt. Versucht ein Staat beispielsweise eine kapitalgedeckte Altersvorsorge einzuführen, lässt sich diese lediglich als Ergänzung zum Umlageverfahren einführen. Denn ansonsten kommt man um eine Mehrbelastung der gegenwärtigen Beitragszahler nicht herum, ohne dass der Staat enorme Summen an Rentenzahlungen aus Steuermitteln finanzieren müsste. Wenn man jetzt beispielsweise eine Aktienrente nach Vorbild der FDP einführen möchte und 2% der bisherigen Beiträge nicht in die Umlagefinanzierung fließen, sondern für eine persönliche kapitalgedeckte Altersvorsorge angelegt werden, fehlen 12,5% () der gesamten Renteneinnahmen, die zur Finanzierung der gegenwärtigen Rentner vonnöten wären.

2.2      Die betriebliche Altersvorsorge10, 11

Die betriebliche Altersvorsorge ist eine freiwillige Möglichkeit neben der verpflichtenden gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich vorzusorgen. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einen Teil seines Lohns gemäß einem der fünf Durchführungswege anlegt:

2.2.1     Vorteile der betrieblichen Altersvorsorge

Durch die „Entgeltumwandlung“ kann der Arbeitnehmer effektiv Steuern sparen. „Entgeltumwandlung“ heißt, dass ein Teil des Bruttolohns direkt in die betriebliche Altersvorsorge fließen. Da der Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge vor Steuern abgezogen wird sinkt der absolute Bruttolohn und der zu zahlende Einkommenssteuersatz sinkt. Bezieht dieser nun ehemalige Arbeitnehmer seine Rente, muss er diese zwar im Nachhinein besteuern, zahlt aber meistens einen geringeren Steuersatz. Das liegt daran, dass das Einkommen während der Zeit als Arbeitnehmer meist über den erhaltenen Rentenzahlungen liegt und somit der Steuersatz zu Arbeitnehmerzeiten über dem Steuersatz als Rentner liegt.

Sowohl als Vorteil als auch als Nachteil lässt sich die Kopplung der betrieblichen Rentenversicherung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber verstehen. Einerseits sorgt dies für eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, da ein Teil der eigenen Rente an das Unternehmen gekoppelt ist (wobei die Möglichkeit der Übertragung besteht). Andererseits schaffe diese Kopplung Anreize für den Arbeitnehmer langfristig in einem Unternehmen zu arbeiten, wodurch Arbeitnehmer zukunftsorientierter arbeiten würden und der Arbeitgeber langfristiger planen könne.

2.2.2     Nachteile der betrieblichen Altersvorsorge

Ein bereits genannter Nachteil ist, dass die Rente an den Arbeitgeber gekoppelt ist. Dieser Nachteil kann von erheblicher Bedeutung sein, denn die wenigsten Arbeitnehmer im freien Markt verbringen den Großteil ihrer Arbeit unter demselben Arbeitgeber. Das Konzept einer betrieblichen Altersvorsorge stammt aus einer Zeit, in der die primäre Intention dieser, eine Kopplung der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber war. Seit 1974 besteht bei Kündigung die Möglichkeit, dass die Betriebsrente grundsätzlich nicht verfällt. Wobei für konkrete Fälle eine juristische Beratung zu empfehlen ist. Die Übertragung der betrieblichen Altersvorsorge sei kein einfaches Vorhaben.

2.3      Die private Altersvorsorge11

Die private Altersvorsorge stellt das dritte Standbein des deutschen Rentensystems dar. Unter dem Begriff der privaten Altersvorsorge fallen jegliche Formen der privat getroffenen Vorkehrungen für die Rente. Dazu zählen neben Sparplänen, Lebensversicherungen und weiteren Formen die Rürup- sowie Riester-Rente. Beides sind staatlich geförderte Formen der privaten Altersvorsorge. Während die Riester-Rente das Modell für den gewöhnlichen Einzahler in die gesetzliche Rentenversicherung darstellt, ist die Rürup-Rente die Alternative für Selbstständige oder Arbeitnehmer, die in ein Versorgungswerk einzahlen. Sowohl die Riester- als auch Rürup-Rente wurden eingeführt, um den zukünftigen Finanzierungslücken in der Rentenversicherung entgegenzuwirken. Weder Rürup- noch Riesterrente sind diesem Anspruch jedoch gerecht geworden. Wiederholt wird kritisiert, dass die Verträge undurchschaubar seien und unverhältnismäßig hohe Verwaltungskosten anfallen würden.

2.3.1     Vorteile der privaten Altersvorsorge

Die private Altersvorsorge bietet die Möglichkeit zusätzlich zu den Pflichtversicherungen Geld für die Rente anzulegen und das teilweise staatlich gefördert. Dadurch können Bürger ihre Rente eigenverantwortlich erhöhen

2.3.2     Nachteile der privaten Altersvorsorge

Viele Arbeitnehmer können sich keine weiteren Abgaben leisten, weshalb eine private Altersvorsorge nicht in Frage kommt. Außerdem sind die angebotenen Finanzprodukte für viele Bürger undurchschaubar und selten rentabel.

3       Welche Vor- und Nachteile hat das gegenwärtige Rentensystem im Gesamten?

Neben einem Blick auf die jeweiligen Säulen ist es sinnvoll das Rentensystem ganzheitlich zu betrachten:

3.1      Vorteile

Das gegenwärtige Rentensystem bietet durch die verpflichtende Rente eine grundsätzliche Sicherheit, die durch freiwillige Möglichkeiten der zusätzlichen Altersvorsorge ergänzt werden kann. Dadurch sollte jeder Bürger die Möglichkeit haben seinen persönlichen Umständen entsprechend anzulegen. Weiterhin schafft es das deutsche Rentensystem die Partikularinteressen einzelner Berufsgruppen in ein gesamtes Rentensystem einzugliedern.

3.2      Nachteile

Der Generationenvertrag steht angesichts des demografischen Wandels vor einem Kollaps. Dass Berufsgruppen, die durchschnittlich ein höheres Einkommen erhalten, eigene gesetzliche Versicherungsformen wie Versorgungswerke und Pensionen haben, lässt sich als unsolidarisch bezeichnen. Ein einheitlicher Rententopf könnte für ein stabileres Rentenniveau sorgen. Darüber hinaus wäre es angebracht Selbstständige konsequent in die gesetzliche Rentenversicherung zu integrieren.

Des Weiteren sind die zusätzlichen zwei Säulen angesichts ihrer Nachteile keine hinreichende Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung.

3.2.1     Die Lage in Deutschland

Wie bereits angesprochen, gibt es in Deutschland eine Verschiebung des Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehenden (demografischer Wandel). Da sich die Baby-Boomer Generation dem Rentenalter stetig weiter annähert, wird eine erhebliche Zahl von Beitragszahlern zu Rentenbeziehenden. Das bedeutet, eine weitere Abnahme des Rentenniveaus. Im Jahr 2020 kamen in Deutschland 57 Rentner auf 100 Beitragszahler; für das Jahr 2050 wird mit einem Verhältnis von 77 Rentnern pro 100 Beitragszahlern gerechnet.

In Deutschland gibt es ein festgelegtes Rentensicherungsniveau von 48% des gegenwärtigen Durchschnitt-Bruttoeinkommens. Um dieses Niveau angesichts des demografischen Wandels zu finanzieren, greift der Staat auf den Bundeshaushalt zurück und bezuschusst die Rente. Im Jahr 2021 betrug die Bezuschussung durch Steuern 97,6 Milliarden Euro. Angesichts der weiterhin sinkenden Beiträge zur Rentenkasse wird die Bezuschussung durch Steuern in Zukunft kontinuierlich ansteigen müssen.

4       Instrumente und Konzepte, um das deutsche Rentenproblem zu lösen

4.1      Vollbeschäftigung

Olaf Scholz setzt auf geringe Arbeitslosenquoten, um die Rente zu finanzieren. Momentan liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 6% und im Falle einer Vollbeschäftigung läge diese etwa bei 1,5%. Das bedeutet, dass wir durch Vollbeschäftigung 3 – 3,5 Millionen Arbeitnehmer gewinnen könnten. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es ca. 21 Millionen Rentner und 45 Millionen Erwerbstätige.

Es ist ungewiss, welche Auswirkungen 4% zusätzliche Arbeitnehmer auf das Rentenniveau haben können. Im Vergleich zu 45 Millionen Erwerbstätigen scheinen selbst 3,5 Millionen zusätzliche Erwerbstätige vernachlässigbar. Wie hoch die Rentenbeiträge dieser neuen Erwerbstätigen ausfallen werden, ist ebenfalls ungewiss. Trotzdem zählt natürlich jeder Rentenbeitrag und insbesondere wenn die Baby-Boomer-Generationen in Rente geht, wird jeder Arbeitnehmer umso mehr ins Gewicht fallen.

4.2      Renteneintrittsalter oder -beiträge erhöhen

Ein grundlegender Punkt, der von einigen Experten als unvermeidbar angesehen wird, ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters oder der Rentenbeiträge. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters würde nicht nur die Rentenkosten senken, sondern darüber hinaus weitere Einzahlungen mit sich bringen.

Eine Erhöhung der Rentenbeiträge bringt ausschließlich höhere Renteneinnahmen, verringert allerdings nicht die Rentenkosten. Vor mehr als 20 Jahren lagen die Rentenbeiträge bei 20,3% anstatt von 18,6%. Die Absenkung der Rentenbeiträge war primär Resultat der positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und von Rentenkürzungen. Folglich ist eine kontinuierliche Erhöhung der Rentenbeiträge auf das vorherige Niveau   nicht unrealistisch.

4.3      Vereinheitlichung der Rente

Weiterhin wird oft eine Vereinheitlichung der Rente diskutiert. Das würde bedeuten, dass alle Rententöpfe der gesetzlichen Rentenversicherung zu einem Topf zusammengeführt werden. Das würde dem Problem der Rentenlücke im Umlagesystem entgegenwirken, da das durchschnittliche Einkommen der Beitragszahler in der Ärzteversorgung oder Beamtenversorgung höher als das des durchschnittlichen Einzahlers in der gesetzlichen Rentenversicherung ist.

4.4      FDP: Aktienrente nach ausländischem Vorbild

Die FDP schlägt vor, das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente um eine Aktienrente zu ergänzen. Der Rentenbeitrag würde gleichbleiben: 16,6% der 18,6% Gesamtrentenbeitrag würden in das Umlageverfahren fließen, während die restlichen 2% in eine kapitalgedeckte Altersversorge fließen würden. Durch den Zinseszinseffekt könne ein Wertzunahme erzielt werden, die der Stabilisierung des Rentenniveaus helfen würde.

In Schweden zum Beispiel werden 2,5% des Bruttolohns in den Kapitalmarkt investiert. Standartmäßig wird in den staatlichen AP7-Fonds investiert, wobei jeder Bürger sein Portfolio nach eigener Wahl zusammenstellen kann. Der staatliche AP7-Fonds erzielte in den vergangenen Jahren eine durchschnittliche jährliche Rendite von 14%. Seit seiner Gründung liegt die jährliche Durchschnittsrendite bei 6%. Die jährlichen Verwaltungsgebühren liegen bei 0,11%.

Bis zum 55. Lebensjahr legt der AP7-Fonds das Geld zu 100% in Aktien an. Ab diesem Zeitpunkt wird kontinuierlich in Anleihen umgeschichtet. Im schwedischen System steigt das Renteneintrittsalter außerdem automatisch.

4.4.1     Vorteile

Die kapitalgedeckte Altersvorsorge nach dem Konzept der FDP senkt die Rentenkosten, da der Zinseszinseffekt das Geld auf natürliche Art und Weise signifikant vermehrt. Dadurch ließen sich Rentenlücken infolge eines unausgewogenen Verhältnisses zwischen Beitragszahlern und Beitragsempfängern voraussichtlich schließen.

Unter dem Punkt „Nachteile“ werde ich ein wenig vorrechnen, welche negativen Konsequenzen der Zinseszinseffekt auf die Rentenzahlungen haben kann. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass dieser Zinseszinseffekt besonders in den letzten Jahren hohe Zunahmen bewirkt. Das bedeutet, dass wenige weitere Jahre Arbeit einen signifikante Erhöhung des Rentenniveaus mit sich bringen. Dies kann natürlich, in Kombination mit einer Flexibilisierung des Renteneintrittsalters wie es die FDP fordert, dazu führen, dass Arbeitnehmer sich dazu entscheiden länger zu arbeiten, um ihre Rente zusätzlich aufzustocken. Dadurch könnte wiederum das Verhältnis zwischen Rentenzahlern und -empfängern zugunsten der Rentenzahler beeinflusst werden, was einer Stabilisierung der Rente zuträglich wäre.

4.4.2     Nachteile

4.4.2.1.1       Börsencrash

Die Frage, welche Auswirkungen ein Börsencrash auf die Renten hätte, ist zentraler Kritikpunkt an der Aktienrente. In Schweden war der Staat in den vergangenen 20 Jahren mehrfach gezwungen Aktienfonds durch den Haushalt zu unterstützen, um ein gewisses Rentenniveau zu gewährleisten. Die Niederlande haben in der Vergangenheit ebenfalls schlechte Erfahrungen mit der Aktienrente gemacht. In Niedrigzinsphasen seien die Renditen zu niedrig gewesen, sodass die Niederlande mittlerweile Reformen zugunsten mehr Umlagefinanzierung plant.

4.4.2.1.2       Disparitäten je nach Einkommen

Kritiker der Aktienrente führen des Weiteren an, dass die Aktienrente unsolidarisch sei. Einerseits erhalten Menschen die geplant oder ungeplant früher in Rente gehen müssen, klar niedrigere Beiträge. Andererseits bevorzuge die Aktienrente höhere Einkommen, da durch höhere Beiträge bei denselben Renditen höhere Wertzuwächse erzielt werden.

Wichtig um die Aktienrente zu verstehen, ist der Zinseszinseffekt; ein Beispiel:

A zahlt 1000 Euro ein und erhält eine jährliche Rendite von 10%. Am Endes des Jahres hat A 1100 Euro, also 100 zusätzliche Euro – genau 10% von 1000 Euro mehr. Im nächsten Jahr hat er folglich 1100 Euro als Startkapital und erhält bei derselben Rendite 110 Euro zusätzlich in diesem Jahr. Somit beträgt der Wert seiner Investitionen am Ende des zweiten Jahres 1210 Euro bei einem Startkapital von 1000€.

Wenn jetzt B einzahlt, der von Beginn an 2000 Euro einzahlen kann, hat dieser bei derselben Rendite von 10% am Ende des Jahres 2200 Euro. B erzielt mit seinen Investitionen bei 10% Rendite 200 Euro Wertzuwachs, während die Investitionen von A im ersten Jahr gerade einmal 100 Euro Wertzuwachs erzielen. Dieser Effekt wirkt jedes Jahr stärker. Zu Beginn des zweiten Jahres hat B 2200 Euro und erhält bei 10% Rendite 220 Euro, während A zu Beginn des zweiten Jahres 1100 Euro hat und dadurch bei derselben Rendite 110 Euro erhält.

Errechnen wir jetzt den Wertzuwachs der beiden Investitionen in einem Zeitraum von 15 Jahren bei 10% Rendite:

Es zeigt sich, dass B bereits bei diesen kleinen Beiträgen am Ende der 15 Jahre nicht mehr nur 1000€, sondern 4177€ mehr besitzt. Die Aktienrente belohnt größere Beiträge damit überproportional zu kleineren Beiträgen.

Um diesen Disparitäten entgegenzuwirken, gibt es die „Beitragsbemessungsgrenze“. Ab dieser Grenze nimmt die Rentenhöhe trotz steigenden Beiträgen nicht mehr zu.

Ein weiteres Problem ist, wie bereits angesprochen, dass die Rente bezuschusst werden muss, wenn Arbeitnehmer aufgrund von unvorhergesehenen Umständen früher in Rente müssen. Denn durch den Zinseszinseffekt erfolgen die großen Zuwächse erst in den letzten Jahren. 10% von über 30 Jahre lang angesparten 10.000€ sind 1.000€ und können somit einen großen Unterschied für die Höhe der Rente machen. So müssen schwedische Rentner bei einem 4 Jahre vorzeitigen Renteneintritt beispielsweise mit 28% Abzügen rechnen.

4.5      Das Konzept der Union

Die Union schlägt in ihrem Parteiprogramm eine Generationenrente vor. Das heißt, dass mit der Geburt des Kindes ein monatlicher Betrag in einen Pensionsfonds investiert wird. Im Parteiprogramm gibt es keinen konkreten Vorschlag für die Höhe der Einzahlungen. In der Vergangenheit war von einem monatlichen Beitrag in Höhe von 100 Euro die Rede. Diesen soll der Staat bis zum 18. Lebensjahr der Person einzahlen. Ab diesem Zeitpunkt muss jede Person die Zahlungen selbst übernehmen, wobei sie sich aktiv gegen das weitere Einzahlen entscheiden kann. Offen lässt die Union neben vielen weiteren Fragen, ob es eine Beitragsbemessungsgrenze geben wird.

4.5.1     Vorteile

Vorteil dieses Konzepts ist ähnlich wie beim Konzept der FDP, dass durch den Zinseszinseffekt aus kleinen staatlichen Investitionen riesige Summen entstehen. Im Vergleich zum Konzept der FDP wird bei der Generationenrente bereits bis zum 18. Lebensjahr eingezahlt, wodurch die letztendlichen Summen der Generationenrente die Summen der Aktienrente weit übertreffen.

Darüber hinaus löst die Generationenrente mindestens ein Problem der Aktienrente: zu den hohen Abzüge bei einem verfrühten Renteneintritt kommt es zwar und diese werden eindeutig höher ausfallen, allerdings sind die Erträge durch eine Generationenrente bis zum 67. Lebensjahr sowieso eindeutig über dem gegenwärtigen Mindestsicherungsniveau.

4.5.2     Nachteile

Als Kritik wird, wie bei allen kapitalgedeckten Altersvorsorgen, angeführt, dass das bloße Konzept unsolidarisch ist. Der gegenwärtige Generationenvertrag würde langsam aber stetig gebrochen werden – dies könne auch der Begriff „Generationenrente“ nicht verschleiern. Außerdem besteht ohne Beitragsbemessungsgrenze das Risiko, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehen wird. Dies habe ich bereits bei der Aktienrente vorgerechnet. Somit sollte die Beitragsbemessungsgrenze bei 100€ liegen. Wobei in der Praxis nicht ausgeschlossen werden kann, dass Besserverdienende eine vom Staat unabhängige Form der privaten Altersvorsorge nutzen, sodass dieser Effekt nicht ausbleibt.

4.6      Ampel-Sondierungspapier

In den Sondierungsverhandlungen konnten sich nun SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP auf eine zusätzliche kapitalgedeckte Rente einigen. Dafür werden aber keine Änderungen an der Rentenzusammensetzung vorgenommen, sondern 10 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für eine kapitalgedeckte Altersversorge überführt. Darüber hinaus werden sie „der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen“. Das bedeutet, dass die DRV ihre Rücklagen nun kapitalgedeckt anlegen darf, um einer inflationsbedingten Entwertung entgegenzuwirken.

Rentenbeitragserhöhungen werden zumindest nicht ausgeschlossen. Eine Erhöhung des Rentenalters sowie Rentenkürzungen allerdings schon. Eine Vereinheitlichung der Rentenversicherung ist nicht geplant, sodass Beamte, Ärzte & Co weiterhin in ihre eigenen Rententöpfe einzahlen. Stattdessen soll die Rente „durch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung stärken“. 

Darüber hinaus soll das System der privaten Altersvorsorge „grundlegend“ reformiert werden. Es soll ein öffentlich verantworteter Fonds „mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit“ geprüft werden. „Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen“.

4.7      Aktiver Widerspruch

Ein weiterer Vorschlag besteht darin, dass jeder Bürger automatisch einen gewissen Anteil seines Einkommens in eine Form der privaten Altersvorsorge investiert. Als Anlageform vorgeschlagen werden staatlich verwaltete Fonds. Jeder Bürger hat das Recht dieser privaten Altersvorsorge zu widersprechen. Solange er dies aber nicht tut, zahlt er weiterhin in die private Altersvorsorge ein.

5       Mein Urteil

Die Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte und Instrumente habe ich bereits angeführt. Nun kommt es zu meiner vollkommen persönlichen Beurteilung der Rentenkonzepte:

Langfristig gesehen plädiere ich für eine Generationenrente. Bis zum 18. Lebensjahr sollte der Staat in einen staatlichen Fonds mit geringen Verwaltungskosten einzahlen. Die Anlagestrategie des staatlichen Fonds sollte sich an Schweden orientieren. Das bedeutet, dass mit zunehmender Annäherung an das Renteneintrittsalter auf eine risikoarme Strategie gewechselt werden soll, um große Kursschwankungen zu vermeiden. Mit dem 18. Lebensjahr sollte jeder Bürger verpflichtet werden selbst einzuzahlen, wobei jeder Bürger das Recht hat zu widersprechen.

Durch den Zinseszinseffekt in Kombination mit der langfristigen Anlage seit der Geburt werden enorm hohe Summen erwirtschaftet, die voraussichtlich sogar bei steigender Lebenserwartung und gleichbleibendem Renteneintrittsalter ein stabiles Mindestrentenniveau von 48% garantieren könnten.

Als Ergänzung zum Umlageverfahren ist die Generationenrente somit perfekt geeignet, um den Generationenvertrag zu stabilisieren. Die Übergangsphase sollte darüber hinaus keine besonderen Probleme bereiten. Da weiterhin durch die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung Ansprüche auf Rentenzahlungen erworben werden, die eigene Rente gleichzeitig aber durch die Generationenrente aufgestockt wird. Das bedeutet allerdings natürlich, dass die Höhe der Rentenbeiträge um den Beitrag zur Generationenrente steigen wird. Über einen großen Zeitraum gesehen, ermöglicht dieses System auch einen Umstieg von Umlageverfahren zu einer kapitalgedeckten Altersvorsorge ohne erhebliche Mehrbelastungen für den Staatshaushalt. Denn sobald jeder Rentner bereits eine Generationenrente bezieht, ist niemand mehr auf die umlagefinanzierte Rente angewiesen.

Das unmittelbar bevorstehende Problem des Renteneintritts der Baby-Boomer-Generation lässt sich allerdings auch durch die Generationenrente nicht lösen. In dieser Hinsicht komme ich leider zu dem Schluss, dass Erhöhungen des Renteneintrittsalters oder der Rentenbeiträge kurzfristig nicht zu vermeiden sind. Insbesondere angesichts der Konstitution des Umlageverfahrens, die einen Systemwechsel ohne zusätzliche Belastungen für den Staatshaushalt erschwert (siehe Nachteile der gesetzlichen Rentenversicherung). Bereits jetzt kommen erhebliche Kosten auf den Staatshaushalt zu, deshalb ist eine Zusatzbelastung infolge eines Systemwechsels undenkbar. Der bestmögliche Hebel zur Stabilisierung ist definitiv eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Darüber hinaus sollte ein Staatsfonds eingerichtet werden, der im Gegensatz zu Riester und Rürup ein attraktives und durchschaubares Angebot für eine staatlich geförderte Form der privaten Altersvorsorge darstellt. Somit wird das Umlageverfahren langsam aber stetig durch die private Altersvorsorge entlastet. Es zeigt sich, dass mein Lösungsansatz dem Vorschlag des Ampel-Sondierungspapiers nicht unähnlich ist. Der einzige entscheidende Unterschied besteht darin, dass ich eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht ausschließe. Je nachdem welchen Anklang die private Altersvorsorge finden wird und wie sich die Konjunktur in den nächsten Jahren entwickelt, wird sich zeigen, ob eine Erhöhung des Renteneintrittsalters vermeidbar ist oder nicht.

Zusammengefasst müssen wir darauf setzen, dass wir durch qualifizierte Einwanderung und Hochbeschäftigung in Kombination mit attraktiven Angeboten für die private Altersvorsorge dem Rentenproblem bestmöglich entgegenwirken. Ich schätze, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsaltes unvermeidbar ist. Mit der Zeiten sollten wir die Idee des „Aktiven Widerspruchs“ übernehmen, sodass jeder privat vorsorgt, insofern er nicht widerspricht und langsam aber stetig auf eine Generationenrente umsteigen. Durch den Umstieg auf die Generationenrente als Ergänzung zum Umlageverfahren könnten wir uns ebenfalls langfristig vom Umlageverfahren lösen.

  1. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spd-kanzlerkandidat-olaf-scholz-verspricht-stabiles-rentenniveau-und-will-spitzensteuersatz-anheben/27367616.html?ticket=ST-723185-2zabOiZyVZYuy9phfWk1-cas01.example.org
  2. https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-06/rente-68-rentenreform-deutscher-gewerkschaftsbund-ablehnung-vorschlaege-wirtschaftsministerium
  3. https://www.sueddeutsche.de/meinung/rentenbesteuerung-scholz-korrektur-1.5335005
  4. https://liechtensteinlife.com/de-de/blog/rente-verstehen
  5. https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Werte-der-Rentenversicherung/werte-der-rentenversicherung.html
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzliche_Rentenversicherung_(Deutschland)
  7. https://www.demv.de/seiten/kammerfahige-berufe
  8. https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/agrarsozialpolitik/alterssicherung.html
  9. https://beamten-infoportal.de/pensionsrechner/
  10. https://www.dieversicherer.de/versicherer/versicherungen/betriebliche-altersversorgung
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