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The Reason for God

Viele Atheisten setzen sich in ihrem gesamten Leben kein einziges Mal ordentlich mit Religion auseinander. Andere wiederum wurden religiös erzogen, haben der Kirche aber mit einem gewissen Alter den Rücken zugekehrt. Oft blicken sie mit einer herablassenden Haltung auf Religion, wie ein pubertierender Jugendlicher auf das Lego-Spielzeug, mit dem er einst so gerne spielte.

Genauso ignorant dachte ich auch über Religion bis meine Glaubenssätze wiederholt in Frage gestellt wurden. Seitdem befasse ich mich aktiv mit Religion und vor allem dem Christentum. Ich glaube, viele Menschen könnten einiges lernen, wenn sie sich näher mit Religion auseinandersetzen würden.

Ein guter Startpunkt ist das „The Reason for God“ von Tim Keller. Hervorragend strukturiert und ebenso pointiert destilliert er die stärksten Argumente für die Existenz Gottes. Für jeden Skeptiker ein must-read.

https://www.eden.co.uk/the-reason-for-god/

Inhalt

In der ersten Hälfte des Buchs befasst Keller sich mit den theoretischen Argumente für die Existenz Gottes.

Es geht um die historische Glaubwürdigkeit der Evangelien, ob es mehr als eine wahre Religion gibt, die klassischen Gottesbeweise und die institutionellen Schwachstellen der Kirche. Fast alle typischen Zweifel gegenüber dem christlichen Glauben werden eingehend thematisiert und auf die Probe gestellt.

In der zweiten Hälfte konzentriert sich Keller auf die Praxis und zeigt, welche pragmatischen Argumente für ein Leben mit Gott sprechen. So illustriert er zum Beispiel, dass wir bereits an viele christliche Prinzipien glauben.

Dazu zählt zum Beispiel, und das ist von zentraler Bedeutung, die Menschenwürde. Dass wir an diese Prinzipien glauben, sieht Keller als Hinweis für die tatsächliche Existenz Gottes. Denn auf Grundlage säkularer Fakten stoßen Philosophen schnell an ihre Grenzen, um die Menschenwürde zu begründen.

Meine Gedanken zum Inhalt

Wie gewohnt streift Keller eine Reihe an faszinierenden Aspekten des Christentums. Wenn es zum Beispiel im zehnten Kapitel um Sündhaftigkeit geht, lassen sich daraus mal wieder Erkenntnisse gewinnen, die weit über die christliche Thema hinausreichen. Zu sündigen bedeutet im christlichen Sinne, etwas oder jemand anderen anstelle von Gott zum Ideal zu erheben. Es bedeutet für ein falsches Ziel zu leben.

Diese Idee erinnert mich immer an Jordan Petersons Gedanken zu diesem Thema. Wenn wir schon einen Sinn für unser Leben benötigen, dann sollten wir das bestmöglichste und ehrenhafteste Ziel anpeilen, dass wir uns vorstellen können.

Und genau das fordert das Christentum von uns ein. Statt nach materiellen oder körperlichen Zielen wie Wohlstand, Sex oder Drogen zu streben, sollten wir uns nach nobleren Ziel umsehen. Das kann bedeuten, dass wir ein guter Ehemann sein wollen oder, dass wir der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen.

Ich möchte mich damit überhaupt nicht positionieren und Wohlstand oder berufliche Ambitionieren blind verdammen. Wer mich kennt, weiß wie doppelmoralisch das wäre. Vielmehr geht es darum, ein Gefühl zu entwickeln welchem Zweck die eigenen Handlungen gerade dienen. Wer Viktor Frankl oder den Gulag von Solschenizyhn gelesen hat, weiß, dass ein erfülltes Leben weit mehr als Geld, Delikatessen oder Sex braucht. Diejenigen wissen, dass wir Menschen einen tieferen Sinn benötigen, um ein wirkliches Gefühl von Erfüllung zu erleben. Und genau auf diesen Gedanken spielt das Christentum mit dem Konzept von Sünde an.

Umgekehrte Beweispflicht

Auch wenn wir uns wieder in die Richtung der Apologetik (Gottesverteidigung) bewegen, wirft Keller spannende Aspekte auf. Dazu zählt zum Beispiel die Geisteshaltung, mit der wir auf Religion schauen. Im Zeitalter des Säkularismus liegt die Beweispflicht in der Debatte um die Existenz Gottes nicht mehr bei den Nichtgläubigen, sondern bei den Gläubigen unter uns. Anstelle des Glauben ist der Nichtglaube zur Norm geworden.

Wir tendieren dazu, die säkulare Weltanschauung automatisch als faktenbasiert und Religionen wie das Christentum hingegen als (Aber-)glauben abzuheften. Dabei vergessen wir, was uns Renè Descartes und Kollegen während der Aufklärung gelehrt haben. Durch seinen auf die eigene Wahrnehmung beschränkten Blick bleibt dem Menschen die objektive Welt stets verschlossen. Wir könnten die ganze Zeit der Kopf im Gastank sein.

Das bedeutet, dass die menschliche Objektivität auf unsere empirische Wahrnehmung, auf unser Erleben, begrenzt ist. Was unser Erleben erklärt, gilt als objektiv. Dass ein Apfel nach einer gewissen Zeit von einem Baum fällt, lässt sich durch Newtons Gravitionskraft erklären. Dass Wasser unter gewissen Umständen friert, durch die physikalischen Gesetze von Druck und Temperatur. In diesem Fall wird, was wir in unserer begrenzten Wahrnehmung erleben, hinreichend erklärt.

Mit der Zeit stellen wir aber fest, dass der Zustand von Atomen komplexeren Gesetzen unterliegt. Wir entwickeln Theorien, wie die String-Theorie oder die Quantentheorie. Wir müssen verstehen, dass sich der Horizont immer wieder entfernt, wenn wir im näherkommen. Wir können nie wissen, was tatsächlich hinter ihm liegt.

Wissenschaft versus Religion

Lange wurden unerklärliche Phänomene durch einen übernatürlichen Verursacher erklärt. Heutzutage haben wir plausiblere (so der Konsens der Bevölkerung, sonst würden wir diese Modelle nicht bevorzugen) Erklärungen für diese Phänomene. Mit diesem Wandel verbannten wir aber nicht nur die religiösen Erklärungen, sondern den religiösen Glauben selbst. Dabei ist nicht einmal klar, ob der übernatürliche Verursacher nicht die beste tatsächliche Erklärung ist? Schauen wir mal aus einer anderen Perspektive auf die Naturgesetze:

Vielleicht handelt es sich gar nicht um eine Erklärung der Realität, sondern ein Muster, eine Regel der Realität, wie wir sie wahrnehmen. Aber erklären tun diese Regeln die Realität ja nicht, oder? Zumindest nicht in der Hinsicht, dass sie die Ursachenfrage nicht klären. Warum gibt es Naturgesetze wie die Newtonsche Gravitationskraft?

Wir können versuchen unsere Welt einzig und allein durch die moderne Wissenschaft zu erklären. Dabei unterliegen wir aber einem Fehler. Wir können Muster beobachten, aber keine Ursprünge erklären.

Wir landen an einem Punkt, wo alles von einer Frage abhängt? Wer steht am Anfang von allem? Wer ist der unbewegte Beweger?

Die moderne Wissenschaft hat eine mehr oder weniger einfallsreihe Antwort: Zufall. So war es reiner Zufall, dass der Urknall so stattfand, wie er stattfand. Demgegenüber steht die religiöse Perspektive, die Gott am Anfang von allem verortet.

Niemand kann die eine oder andere These endgültig beweisen (deswegen gibt es den Agnostizismus). Im Endeffekt ist es eine Glaubensfrage. Woran glauben wir? An das sinnlose, zufällige wissenschaftlich determinierte Universum oder an ein moralisches, durch die Existenz Gottes begründetes Leben mit Menschenwürde und freiem Willen?”

Glauben wir an die Zufälligkeit des Universums, bringen wir die Steine wirklich ins Rollen. In diesem Fall brauchen wir schlaue philosphische Köpfe, um diese riesigen Lücken in der Ethik zu füllen, die wir hinterlassen. Glauben wir an die Zufälligkeit des Universums und den wissenschaftlichen Determinismus geraten fundamentale Konzepte wie die Menschenwürde oder der freie Wille ins Schleudern.

Die Theorie von der Zufälligkeit des Universums überlässt den Menschen der Brutalität der Evolution, dem Survival of The Fittest und dem Recht des Stärkeren. Wir sollten vorsichtig sein, wie weit wir es treiben wollen…

Abschließende Worte

Nach dieser leicht ausufernden inhaltlichen Auseinandersetzung, möchte ich noch einmal abschließende Worte zu diesem Buch finden:

Ich glaube, dass es viele Ideen und Konzepte aufwirft, über die es sich lohnt nachzudenken. Da Keller eine breite Masse an Menschen mit seinen Büchern adressiert, fehlt es mir persönlich ab und zu an Tiefe. Auf der anderen Seite bietet er dem Leser dafür umso mehr Raum sich seine eigene Meinung zu bilden. Das kann auch seine Vorteile haben – wie man sieht.

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