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Wer war Helmut Schmidt?

Warum lohnt es sich an Helmut Schmidt zu erinnern?

Warum Menschen erinnerungswürdig sind, kann einen objektiven oder subjektiven Grund haben: Entweder die Person nahm wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte oder sie hat eine subjektive Bedeutung für das Individuum. Helmut Schmidt nahm als Regierungsverantwortlicher Einfluss auf die Geschichte und imponierte zusätzlich mit Charakter und Integrität. Retrospektiv wird Schmidt von vielen als letzter Politik von Großformat bezeichnet. Auch nach seiner Amtszeit verlor Schmidt nicht an Bedeutung. Als kritischer Kommentator blieb er den deutschen Politik erhalten und genoss bis zu seinem Tod großen Respekt.

Was waren wesentliche Ereignisse seiner Kindheit?

Schmidt wuchs zur Hochzeit des Nationalsozialismus auf. Bis zu seinem Abitur besuchte er die progressive Lichtwarkschule. Neben Musik und Kultur förderte die reformorientierte Schule die allgemeine Selbstständigkeit ihrer Schüler. Damit war sie nach seinen eigenen Worten der „Glückfall einer guten Schule“. Mit 15 Jahren las Schmidt Mark Aurels „Selbstbetrachtungen“, dessen Prinzipien ihn nachhaltig prägten.

Im Gegensatz zu seinen Freunden wurde Schmidt der Eintritt in die Hitler-Jugend zunächst verboten. Es stellte sich heraus, dass sein Vater jüdischer Abstammung war. Später wurde Schmidt trotz allem Mitglied in der Hitlerjugend. Als Schmidt später für seine Hochzeit einen Ariernachweis benötigte, übergab ihm sein Vater eine Urkunde, indem dessen Vater als unbekannt eingetragen.

Wie hat Helmut Schmidt den Krieg erlebt?

Helmut Schmidt war Leutnant der Luftwaffe. Von August bis Ende 1941 war er an der Ostfront. Ab 1942 bis 1944 war er Referent für Ausbildungsvorschriften der leichten Flakartillerie im Reichsluftfahrtministeriums in Berlin. Der Krieg politisierte Schmidt. Als er 1944 den Prozessen Roland Freislers beiwohnen musste, ließ er sich aus Abscheu von dieser Pflicht entbinden. Später äußerte er sich abfällig gegenüber Hermann Göring und sollte wegen Verrat vor Kriegsgericht gestellt werden. Dieser Strafe konnte Schmidt durch eine Versetzung entgehen.

Während seiner Kriegsgefangenschaft 1945 wurde er vom Mithäftling Hans Bohnenkamp für die Sozialdemokratie begeistert.
Zusammen mit Oberst Grosan hielten sie eine Vortragsreihe unter dem Titel „Verführtes Volk“ ab. Dieses Engagement sorgte höchstwahrscheinlich für seine frühe Entlassung aus der britischen Gefangenschaft.

Wie waren Schmidts politische Anfänge?

Schmidt wollte seinen Beitrag zum Wiederaufbau leisten. Nach dem Krieg trat er der SPD bei. Außerdem engagierte er sich beim „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“. 1947/1948 agierte er als deren Vorsitzender in der britischen Besatzungszone. Von 1952 bis 1962 saß Schmidt erstmals im Deutschen Bundestag.
Nach seiner Rückkehr 1965 wurde er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Von 1967 bis 1969 übernahm Schmidt den Fraktionsvorsitz der SPD im Bundestag. Ende der 50er-Jahre erlebte Schmidt viel Opposition innerhalb der eigenen Partei. Mit seiner positiven Haltung zum Militär und der Teilnahme an einer Verteidigungsübung 1958 in Iserbrook verlor Schmidt sein Amt im Fraktionsvorstand. Mit der Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 verbesserte sich die innerparteiliche Situation für Schmidt.

Mit welchen Herausforderungen war Schmidt in Regierungsverantwortung konfrontiert?

Die Sturmflut 1962 war Schmidts erste und bekannteste Herausforderung. Er vereinte die verschiedenen Behörden und Ämter unter seiner Führung, obwohl ihm als Polizeisenator ursprünglich ausschließlich die Polizei unterstand.
Sein resolutes Vorgehen erntete ihm großen Respekt. Schmidt reagierte im Kontrast zu den Beamten schnell, indem er NATO und Bundeswehr zur Hilfe holte.

Von 1969 bis 1972 übernahm Schmidt das Amts des Bundesverteidigungsministers und nach dem Rücktritt Karl Schillers 1972 auch das Bundesministerium der Finanzen. In dieser Zeit war Schmidt mit keinen großen Herausforderungen konfrontiert.

Mit welchen Herausforderungen war Schmidt als Regierungschef konfrontiert?

1973 erzeugten die arabischen Staaten der OPEC einen künstlichen Engpass an Öl. Sie wollten, dass der Westen Druck auf Israel ausübt im Sechs-Tage-Krieg eroberte Gebiete wieder abzutreten. Gemäß seiner Prinzipien blieb Schmidt eisern und ließ das Volk lieber verzichten als sich erpressen zu lassen. Durch Staatsinvestitionen gelang es Schmidts Kabinett die Folgen der steigenden Ölpreise im Vergleich zu anderen Staaten gut abzufedern.

1976 bis 1977 war Schmidt mit dem Terror der Roten Armee Fraktion konfrontiert. Sogar als die RAF den Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer kidnappten und mit dessen Ermordung drohten, blieb Schmidt eiskalt. Bei dem erfolgreichen Einsatz der Spezialkräfte wurde Hans Martin Schleyer von der RAF ermordet.

1979 fasste die NATO den Beschluss mit der Sowjetunion in Verhandlung zur Reduktion ihrer Mittelstreckenraketen zu treten. Um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten, ergänzten westeuropäische Mitgliedsstaaten den Beschluss um die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Westeuropa bis 1983. Hunderttausende protestierten in den ersten Jahren gegen den Beschluss. Schmidt stand damit einer breiten gesellschaftlichen Opposition entgegen zu deren Anhängern sogar SPD-Mitglieder gehörten.

Unter dem Eindruck wirtschaftlicher Herausforderungen und dem NATO-Doppelbeschluss hatten sich sowohl in der SPD als auch der FDP die rechten und linken Lager weiter voneinander entfernt. Der Zusammenhalt der Koalition schwächelte. 1982 forderte eine Gruppe unter Bundeswirtschaftsminister Otto Graf von Lambsdorff eine wirtschaftsliberale Politik, die sozialdemokratischen Prinzipien völlig widersprach. Später verließen Lambsdorff, Gerhart Baum (Innenminister), Hans-Dietrich Genscher (Außenminister und Vizekanzler) sowie Josef Ertl (Landwirtschaftsminister) das Kabinett. Obwohl Neuwahlen geplant waren, entschieden sich FDP und CDU/CSU doch für ein konstruktives Misstrauensvotum gegenüber Schmidt. Mit sieben Stimmen mehr als notwendig wurde Schmidt im Oktober 1982 abgewählt.

Wer war Helmut Schmidt als Person?

Neben der Politik war Schmidt seit 1942 mit seiner Schulfreundin Hannelore, genannt Loki, Schmidt verheiratet. 1944 wurde Schmidts erster Sohn geboren, der bereits vor seinem ersten Geburtstag verstarb. 1947 kam seine Tochter Susanne Schmidt zur Welt, die heute für Bloomberg TV arbeitet. Orientierung fand Schmidt sowohl in der Musik und Kunst als auch in den Geisteswissenschaften. Er lebte nach dem stoischen Prinzip der Pflichterfüllung und unterschied, was kontrollierbar war und was nicht.
In seiner politischen Laufbahn maß sich Schmidt an Max Webers Verantwortungsethik. Mit Karl Poppers offener Gesellschaft war Schmidt gleichzeitig Anhänger einer reform- und nicht revolutionsorientierten Politik. Der Grundsatz der Falsifizierungsmöglichkeit regierender Systeme begründete seine Ablehnung gegenüber totalitären Systemen.

Als Resultat seiner rhetorischen Fähigkeiten und seinem Selbstvertrauen gewann Schmidt die Bezeichnung „Schmidt-Schnauze“. In vielen Berichten wird er durchaus als arrogant beschrieben. Giovanni Di Lorenzo schreibt über Schmidt, dass man ihm sehr wohl widersprechen konnte, ohne dass er es einem übel nahm. Demnach liebte er die herausfordernden Debatten und schätzte das Widerwort.

Welche Rolle spielte Helmut Schmidt nachdem seiner politischen Tätigkeit?

Schmidts Veranlagungen verhinderten, dass er sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzog. Weiterhin prägte er die gesellschaftliche Debatte durch Vorträge, Interviews und seine publizistische Tätigkeit als Mitherausgeber und späterer Geschäftsführer der Wochenzeitung „Die Zeit „. In der Regel vertrat Schmidt wie gewohnt kontroverse Positionen, indem er mitunter die Kernkraft ablehnte, Studiengebühren befürwortete und Arbeitszeitverlängerungen zur Bewältigung der Rentenprobleme forderte.

Warum begeistert mich Helmut Schmidt?

Offensichtlich war Schmidt ein Mann von Format. Seine Intelligenz, seine rhetorischen Fähigkeiten und seine Karriere beeindrucken mich nachhaltig. Viel spannender und vorrangig ist, was hinter diesen Eigenschaften steckt. Sein Mut zur Wahrheit in Kombination mit völliger Loyalität zu den eigenen Prinzipien zeugen von großer Integrität. Es ist der Schmidt’sche Mut gegen alle Widerstände für die eigenen Überzeugungen einzutreten und gleichzeitig niemals den vernünftigen Kompromiss aus den Augen zu verlieren, der mir imponiert.

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