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Ein Eingeständnis und Rayshard Brooks

Rayshard Brooks, ein 27-jähriger schwarzer US-Amerikaner, widersetzt sich der polizeilichen Verhaftung und klaut einen Taser. Daraufhin wird er durch zwei Rückenschüsse von einem der beiden Polizisten ermordet.

Zu Beginn: Das ist wahrscheinlich das schwierigste Thema über das ich bisher geschrieben habe. Ich als Weißer in Deutschland kann auf keinen Fall den Anspruch stellen frei von rassistischem Denken zu sein oder nachvollziehen zu können, wie es sich anfühlt aufgrund seiner Hautfarbe ausgegrenzt zu werden. Obwohl ich noch nie meine Freunde nach ihrer Hautfarbe selektiert oder absichtlich jemanden rassistisch beleidigt habe, schwirren diese Gedanken in meinem Kopf. Je erwachsener ich werde, desto weiter rücken diese grausamen Gedanken in den Hinterkopf. Julia Degner, Sozialpsychologin an der Uni Hamburg hat ausführlich wissenschaftlich darüber referiert wie tief rassistisches Gedankengut in uns Menschen liegt. Fatal wäre es jetzt diese Studie als Rechtfertigung für diese Gedankengänge anzunehmen, vielmehr gilt es diese erst einmal wahrzunehmen, um sie dann „zu vertreiben“. Aktiv sollten gegen diese Gedanken angearbeitet werden und reflektiert werden – besonders wie es für einen selbst wäre, wenn man stets nach Hautfarbe verurteilt werden würde.

Eine Diskriminierung der Hautfarbe – bzw. in diesem Fall der Herkunft – wegen kann ich minimal durch eigene, damit nicht vergleichbare , Erfahrungen nachvollziehen. Denn logisch ist, dass wenn Migranten nach Deutschland kommen, hier ausgegrenzt und verstoßen werden – ohne sichtlichen Grund – schotten sie sich ab und grenzen Deutsche genauso aus. Solch eine Ausgrenzung kann vorkommen, ist allerdings keineswegs in der Größenordnung der Ausgrenzung, wenn andersherum rassistisch diskriminiert wird.

Es ist sehr schwer sich so etwas aktiv einzugestehen. Es ist eine Frage der Toleranz. Toleranz ist immer eine schwierige Sache, denn eigentlich schadet uns persönlich der Nachbar ausländischen Ursprungs nicht, genauso wie uns der Schwule oder die Lesbe nicht schadet, oder uns die Transsexuellen nicht schaden. Absolut kostet es Überwindung. Man wird gezwungen etwas neues zu akzeptieren und aus psychologischen Gründen – die ich leider nicht erklären kann – kostet Toleranz einfach eine extreme Überwindungskraft.

Die Sache mit dem Humor

Manchmal mache ich Witze über Minderheiten – schwarzer Humor nennt man das in der Satire – und eigentlich bin ich ein riesiger Fan davon, wenn Menschen über alles lachen können. Von mir aus können die Leute Witze über meine Zahnlücke machen bis sie abkratzen – natürlich nervt es irgendwann, weil es nun mal irgendwann auch einfach nicht mehr witzig ist -, trotzdem akzeptiere ich es, weil ich Humor liebe – Lachen ist klasse -, außerdem mache ich auch Witze über Unannehmlichkeiten anderer. Also mit welchem Recht will ich mich beschweren? Die Debatte, wo Humor anfängt und aufhört, ist viel zu komplex, um sie in diesen Artikel zu quetschen. Ehrlich gesagt ist mir diese Debatte zusätzlich auch zu kontrovers.

Eins kann ich aber sagen: Ja, ich mache Witze über Minderheiten, aber bitte macht mich darauf aufmerksam, wenn ich zu weit gehe. Ich würde das jetzt in gewisser Weise mit jugendlichem Unbewusstsein entschuldigen, allerdings ist das ehrlich gesagt hauptsächlich Ausrede. Ja, solche Dinge rutschen einem raus, vor allem als Jugendlicher, das rechtfertigt es aber nicht. Es sollte viel mehr dafür sorgen, dass man selbst im Nachhinein reflektiert und sich fragt, ob es sich gelohnt hat so einen dummen Witz über eine Minderheit zu machen.

Buße

Okay, nachdem ich einen ersten Schritt getan habe, indem ich euch einen langen Text hingeklatscht habe, der von meinem eigenen persönlichen Versagen in dieser Hinsicht handelt, folgt jetzt der nächste Schritt. Davor möchte ich aber nochmal betonen, dass ich nie aktiv rassistisch handle, vielmehr sind diese Gedanken in meinem Kopf, weshalb ich mehr und mehr versuche dagegen anzukommen. Ich werde mir fest vornehmen auf diese Dinge zu achten, zu reflektieren und mich zu verbessern, damit ich mir selbst ein weniger gerecht werde. Ich als Weißer bin priviligert, in der Hinsicht, dass ich solch eine rassistische Diskriminierung niemals erleben musste, doch abseits davon sind wir alle gleich und genetisch sind wir sowieso alle „gleichwertig“ – zur Hölle mit eugenischem Gedankengut. Ich bitte auch jeden einmal über sich selbst und sein Handel in der Vergangenheit nachzudenken.

Kommen wir zu Mr. Brooks

Also erst einmal zur momentanen Situation: Die USA wird dominiert von Protesten für Gerechtigkeit. Gerechtigkeit im Sinne einer Gesellschaft, die sich nicht um die Hautfarbe schert. Dabei war der unmittelbare Auslöser der Tod von George Floyd, einem Schwarzen, der sehr wahrscheinlich aus rassistischen Motiven von einem Polizist – mindestens fahrlässig – getötet wurde. <- Die Begrifflichkeiten sind bitte nicht juristisch zu verstehen, denn bei diesen Genauigkeiten bin ich für ein öffentliches Statement nicht bewandert genug. Diese folgenden Proteste sind größtenteils friedlich, arten aber auch in Gewaltakte aus. Wobei Militanten die Demos mehr als Vorwand nutzen, um Gewalt zu streuen, denn Ziel der Gewaltakte sind nur in wenigen Fällen staatliche Insitutionen wie die Polizei gewesen, sondern viel öfter einfache Läden und Supermärkte, die nichts, absolut garnichts mit der rassistischen Polizeigewalt zu tun haben.

Das erinnert übrigens stark an die damalige Machtübernahme des russischen Militärs 1917. Russland, vom nicht gerade intelligenten Zar-Regime regiert, hatte eine hungernde Bevölkerung und die Menschen inkl. Militär bäumten sich auf und kämpften für die Demokratie und den Sozialismus. Was folgte war Chaos und Brutalität. Gewalt lässt sich nie mit dem richtigen Ziel rechtfertigen. Als die Bolschewiken Russland daraufhin den lang erhofften Sozialismus brachten war das bekanntermaßen kein Erfolgsmodell. Jeglicher Widerstand wurde gewaltsam niedergerissen und es wurde ein Regierung installiert, die dem ursprünglichen Anspruch fern war und vielmehr Parallelen mit dem Zar-Regime hatte…

Worauf ich hinaus möchte: Es mag mit wenig Gewalt beginnen und irgendwann endet es in einem tyrannischen Staat – einer Tyrannei.

Kommen wir nun wirklich zu Mr. Brooks

Genau jetzt in diesem Chaos wird in Atlanta ein 27-jähriger Schwarze von der Polizei kontrolliert. Rayshard war in seinem Wagen in der Drive-In Schlange eingeschlafen, worauf die Polizei ihn auf Alkoholkonsum untersuchte. Zwei Polizisten inspizierten ihn und im Video wirkt eigentlich alles entspannt. Die Polizisten reden normal mit Mr. Brooks und er normal mit ihnen. Ein respektvoller Umgang beider Seiten. Als die Polizei ihn vorläufig wegen des Verdachts auf Alkoholkonsum mit auf’s Revier nehmen möchte – was angesichts seines Zustands und der „Testergebnisse“ wahrscheinlich legitim war – wehrt sich Rayshard Brooks und versucht zu fliehen. Im Handgemenge mit zwei Polizisten gewinnt Brooks die Oberhand. Er klaut einen Taser und kann ein paar Meter Abstand gewinnen. Hinter ihm der Polizist, der noch in Besitz seines Tasers ist, und weiter hinten der andere Polizist. Als Mr. Brooks sich umdreht, um wahrscheinlich den Taser zu benutzen, reagiert der hintere Polizist und schießt Rayshard Brooks zweimal in den Rücken. Hierbei bitte ich wirklich sich das verlinkte Video anzuschauen, um ein eigenes Bild zu erhalten.

Ich werde nun meine Meinung abgeben, inwiefern der Polizist rassistisch gehandelt hat und ob die darauffolgende Anklage und die Suspendierung seines Kollegens gerechtfertigt sind.

Zuallererst benenne ich mal die Auffälligkeiten. Das erste was ich mich fragte war: „Warum flieht der Typ?“ Es könnte ihn eine prinzipielle Angst vor rassistischer Polizeigewalt getrieben haben, wobei das alles spekulativ ist. Der zweite Gedanke war: „Egal ob der Typ mit den Polizisten gekämpft hat oder nicht, egal welche Hautfarbe er hat. Warum musst du da auf ihn schießen?“ Für mich schaut es im Video so aus als wäre das ein simpler Fluchtversuch eines verwirrten jungen Mannes. Der wusste selber nicht was er macht. Er hatte Angst und hat aus Panik etwas getan, was er wahrscheinlich später bitter bereut hätte. Aber jetzt ist er tot. Ich bin mir sehr sicher, dass dieser Typ niemals weit gekommen wäre und selbst dann waren sie in Besitz seiner Daten. Außerdem hatte dieser Mann eine Tochter. Es wäre ein leichtes gewesen ihn zu fassen und außerdem scheint mir der Taser auch kein legitimer Grund. In den USA, auch im Bundesstaat Georgia (dort liegt Atlanta) bekommt man Waffen wie Pistolen und Gewehre hinterhergeworfen, warum sollte es da schlimm sein, wenn der Typ einen Taser hat?

Hat er rassistisch gehandelt?

Wie immer ist das schwer zu sagen. Es liegt nahe, da rassistische Vorurteile in der US-amerikanischen Polizei nun mal vorhanden sind. Trotzdem würde ich erst einmal denken, dass in diesem Ausnahmefall der Polizist nicht von einem rassistischen Motiv getrieben war. Der vorhergehende Umgang wirkt einfach zu freundlich… Es kann natürlich sein, dass der Polizist solche Gedanken pflegte, ich halte es jedoch für vergleichsweise unwahrscheinlich. Stattdessen denke ich, dass das in diesem Fall einfach nur ein vorschneller Polizist war, der sich ein bisschen in seiner Ehre verletzt gefühlt hat, als Mr. Brooks sich widersetzte und ihm dann auch noch seinen Taser stahl. Ich hoffe mal, dass er seine gerechte Strafe für diese Torheit erhält, denn so oder so war das eine extrem fahrlässige Verfahrensweise seitens des Polizisten.

Im Gegensatz zu den Kommentaren des Videos aber rechtfertigt der Widerstand Rayshard Brooks – selbst das Stehlen des Tasers und potenzielle Anwenden auf den Polizisten – nicht das Erschießen dieses Mannes.

Die folgenden Demonstrationen

Demonstranten setzt in der Folge ein unschuldiges Gebäude der Restaurantkette „Wendys“ in Brand. Dazu kann ich nur mein vorheriges Urteil wiederholen, dass nichts solch eine Form von Gewalt und Chaos rechtfertigt. Besonders nicht, wenn das Ziel dieser Gewaltaktionen unschuldige Gebäude sind. Vielleicht ist „Wendys“ für diese Menschen ein Symbol der Polizeigewalt oder Diskriminierung, was auch immer… Es rechtfertigt die Gewalt nicht!

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