Seitdem ich in England bin, gehe ich zum ersten Mal in meinem Leben regelmäßig zur Kirche. Ich wurde agnostisch aufgezogen und bin hatte nie eine wirklich enge Beziehung zur Religion – eher das Gegenteil. Dieses neu entfachte religiöse Interesse hat verschiedene Hintergründe, auf die ich bei anderer Gelegenheit näher eingehen möchte.
Als Resultat meiner christlichen Aktivitäten lese ich nun auch Bücher zu demselben Thema. Mein Gruppenleiter und stellvertretender Pfarrer, mit dem ich mich regelmäßig beim Mittagsessen (im wörtlichen Sinne) über Gott und die Welt austausche, versorgt mich mit Lektürevorschlägen. Zuletzt war es „Encounters with Jesus“ von Tim Keller.
Mit diesem Buch möchte Keller christliche Antworten auf die großen Fragen des Lebens liefern: „Wer bin ich?“, „Wofür lebe ich?“, „Wie lebe ich ein erfolgreiches Leben?“. Grundlage sind eine Reihe an Begegnungen mit Jesus aus dem Neuen Testament.
Wie das erste Buch von Tim Keller, das ich gelesen habe, zeichnet es sich durch eine klare Struktur und leicht verständliche Sprache aus. Dieser Stil passt wahrscheinlich hervorragend zum durchschnittlichen Leser, sonst wären seine Bücher nicht so erfolgreich.
Gleichzeitig fehlt es im ganzen Buch an Tiefe. Verschiedene Aspekte werden angerissen, aber immer wieder verbleiben wir auf der obersten Betrachtungsebene ohne genauer hinzuschauen. Ich bin mir sicher, Keller verfügt über das notwendige Wissen, möchte aber niemanden durch Ausführlichkeit verschrecken.
Wenn man das Buch richtig liest, lassen sich eine Menge an Weisheiten lernen. Das zeigt sich, wenn Keller deutlich macht, dass der Mensch einen religiösen Instinkt besitzt, der in irgendeiner Form erfüllt werden muss und dass die Verneinung Gottes schnell durch einen religiösen Säkularismus ersetzt wird.
Oder wenn er sich auf Hannah Arendts „Banalität des Bösen“ bezieht und spannende Ähnlichkeiten zu Jesus Lehren herausarbeitet. In solchen Momenten blitzen brilliante Ideen aus diesem Buch, auf die Keller gerne weiter eingehen könnte.
Wer den theoretischen Einstieg in das Christentum sucht, ist mit Kellers Büchern – und im Spezifischen diesem – sicherlich nicht schlecht bedient. Prägnant schreibt er über die wichtigsten Aspekte des christlichen Glaubens und dessen Antworten auf die großen Fragen des Lebens.
Wer sich aber nicht nur einen Überblick verschaffen will, sondern die Aspekte dieser Weltreligion wirklich verstehen möchte, dem wird dieses Buch nicht reichen.
Man könnte es als Grundlagenwerk der christlichen Populärliteratur bezeichnen. Die meisten haben es gelesen, aber die wahren Erkenntnisse gewinnen wir wahrscheinlich aus anderen Werken.