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Ein Appell an den Journalismus

Christchurch, Paris, Hanau – fatale Terroranschläge, die jeden von uns für einen Moment innehalten lassen. Der Journalismus ist ein Mittäter dieser Grausamkeit. Es ist Zeit Verantwortung zu übernehme

Der Journalismus mag in den letzten Jahren durch das Aufwachsen neuer, digitaler Generationen an Einfluss eingebüßt haben. Heute regieren Medienstars, die nicht umsonst „Influencer“ genannt werden. Trotz allem ist das Fernsehen immer noch das wichtigste Informationsmedium für uns. Die Zeitschrift oder Zeitung vielleicht nicht mehr so, doch die Inhalte verschwinden ja nicht. Sie verlagern sich auf die Internetseiten. Man entwickelt sich eben, langsam, aber man entwickelt sich.

Kommentare und Berichterstattungen waren schon immer wichtig, um die Dinge einzuordnen. Die Regierung beschließt ein neues Rentenpaket, ist das gut oder schlecht? Die Börsenkurse fallen, was bedeutet das für mich? Der EURO wird als neue Währung integriert, was soll ich dazu denken? Hier wird eingegriffen, debattiert und eingeordnet. Andererseits sind sie und waren sie immer wichtig, um auf dem neuesten Stand zu sein. Die neuesten politischen und gesellschaftlichen Debatten mit den Kollegen zu diskutieren, es ist eine Neugier aktuell zu sein.

Ohne Zweifel nehmen die Medien einen signifikanten Einfluss auf die Meinungen der Leute. Propaganda und ihre Folgen sollten jedem bekannt sein. Manipulation der Menschen ist auf keinem Wege einfacher, als durch die Kontrolle der Medien. Nicht grundlos ist die Pressefreiheit ein Grundwert jeder wirklich freien Demokratie. Fox-News, der persönliche Propagandasender der Republikaner, besonders gerne genutzt von Trump, ist nur ein Beispiel. Fox-News ist übrigens nur ein Tochterunternehmen einer größeren Gesellschaft, die überall auf der Welt ihre Finger im Spiel hat.

Leider ist auch der Journalismus nicht ganz fehlerfrei. Das Gladbecker Geiseldrama ist wohl eins der bekanntesten Beispiele für mediales Versagen. Journalisten behinderten durch ihre Nähe zu den Tätern die Justiz. Es ging nur noch darum am nächsten dran zu sein. Den nächsten Hit zu landen, mit dem neuesten Geiselnehmerstatement. Schaut man sich Aufnahmen des Geiseldramas an, denkt man alles sei normal. Eine Atmosphäre der Gelassenheit unter den Journalisten. Ein massenhaftes Versagen, das später außerordentlich debattiert wurde.

Der schwerwiegendste Fehltritt der Journalisten ist jedoch die Namensnennung von Terroristen

Warum wird der Name eines Terroristen, Mörders oder Attentäters in der Berichterstattung genannt. Na ja, auf den ersten Blick scheint daran nichts auszusetzen – Das ist ein fataler Trugschluss.

Motiv vieler Terroristen ist nicht nur eine Ideologie oder ein Glaube. Es ist oft ein wichtiger Aspekt, doch viel mehr geht es ihnen um Aufmerksamkeit. Jürgen Todenhöfer hat sich ausgiebig mit dem Terror auseinandergesetzt. Unabhängig von seinen politischen Ideologien, geht mir um eine Tatsache, die er immer wieder betonte und die schon so unter Journalisten bekannt war. In einem Interview, in dem er u.a. über seine Zeit in den Reihen des Islamischen Staats redet, betont er Aufmerksamkeit als Motiv von Terroristen. „Und es gibt Selbstmordattentäter (…) ich weiß, dass die sich vorher zusichern lassen, dass ihr Name genannt wird, nach der Tat“, so sagt Todenhöfer es wortwörtlich und warum sollte er sich das ausdenken?

Jetzt kommt der Knackpunkt. Offensichtlich, wollen diese Terroristen unbedingt genannt werden, sie wollen die Aufmerksamkeit. Warum geben wir durch die journalistische Berichterstattung diesen Menschen diese Aufmerksamkeit?

In der Zeit schrieb jemand: “ Erstens: Wenn wir als Journalisten (…) Namen erwähnen, tun wir ihm einen Gefallen. Zweitens: Wenn wir (…) Namen erwähnen, ihn und seine Tat einordnen und erklären, dann erfüllen wir unsere Kernaufgabe gegenüber unseren Leserinnen und Lesern. Was wiegt schwerer?“ Erst einmal wird die Sache mit dem Wort „Gefallen“ in diesem Artikel heruntergespielt. Aber es geht mir hauptsächlich um die Rechtfertigung. Dieser Rechtfertigung würde ich soweit zu stimmen, doch möchte ich eine Gegenfrage stellen: Lässt sich die Tat, ohne Namen, oder mit Pseudonym oder abgekürztem Nachnamen nicht einordnen und erklären? Natürlich lässt sie sich das.

Am Ende dieses Artikels schlägt der Verfasser auch die abgekürzte Namennennung als Kompromiss vorher. Das wäre für mich der einzige, halbwegs zu verantwortende Kompromiss. Alles andere wäre verlässig, angesichts der hohen Bedeutung der Namensnennung. Des Weiteren sollte sich die Berichterstattung auch viel mehr auf die Opfer fokussieren. Damit lassen sich einerseits potenziell heranwachsende Täter vielleicht eher abschrecken, als mit einer Namensnennung, die sie in ihrer Ideologie bestätigt. Andererseits erhalten die Familien der Opfer den ihnen gebührenden Respekt und die Taten werden viel besser eingeordnet als es jeder Artikel könnte.

Es ist Zeit Verantwortung zu übernehmen. Vereinbarungen diesbezüglich unter den Berichterstattern oder über den politischen Weg sind unabdingbar.


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