Nun ja, die Corona-Langeweile nervt mich und deshalb verzichte ich auch auf ein Thema mit direktem Zusammenhang zur Pandemie.
Worum geht es?
Ganz einfach: Um die – fast schon religiöse – Beschreibung des Markts als „selbstregulierend“ und „verantwortungsbewusst, als etwas das uns den bestmöglichen Wohlstand bringt (Neoliberalismus) und um den politischen Einfluss der Reichen, durch den sie ihre Praktiken auf oberster Ebene zu rechtfertigen versuchen (Stichwort Plutokratie). Wobei diese beiden Themen miteinander einhergehen, denn schwerlich würde das neoliberalistische Denken ohne die plutokratischen Strukturen unserer „Demokratien“ solche Beliebtheit bei Politikern genießen.
Wie wahrscheinlich die meisten Jugendlichen erachte ich die Verteilung des Vermögens als ungerecht. Eine Konzentration des Vermögens bei den obersten 1% (variiert je nach Land -> trifft allerdings bei Großbritannien zufälligerweise genau zu, da im Laufe der Zeit das Vermögen der oberen 1% weiter wächst und das der 99% weiter sinkt -> Spalte zwischen Arm und Reich) ist maßlos unfair und nicht zu rechtfertigen.
Nun habe ich ein Buch darüber gelesen, dass die ganze Facette einmal aufbereitet. Der Name des Buches lautet: „Why we can’t afford the rich“ -> Warum wir uns die Reichen nicht leisten können. Es geht um tiefergehende soziale Probleme und wie sie mitunter durch die Reichen und ihre Einstellung verstärkt werden. Das Buch ist ein bisschen zu lang, als das ich alles hier zusammenfassen könnte, doch möchte ich jetzt einen Aspekt aufbereiten: den Einfluss der Reichen auf die Politik.
Die „harmlosen“ Formen
Die weniger schlimmen Einflussnahmen geschehen eher auf indirektem Wege, trotzdem möchte ich eine gerne erwähnen. Unternehmen, die „too big to fail“ sind. Großen Unternehmen wird immer wieder zugutegehalten, dass sie einen erheblichen Nutzen für unsere Wirtschaft hätten und unabdingbar und essenziell für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze wären. Problem ist nur, dass mit der Finanzialisierung des Kapitalismus, damit ist der Wachstum des Finanzsektors gemeint, eine Verschiebung der Interessen von Produktivität der Unternehmen hin zur eigenen Rendite (=Gewinn) gab. Das heißt die Unternehmen setzen nicht mehr darauf langfristige Gewinne durch Produktion von Gütern oder Dienstleistungen zu machen, sondern setzen auf kurzfristige Gewinne durch risikoreiche Geldgeschäfte. Solche risikoreichen Geschäfte führten übrigens damals zur Finanzkrise 2008/2009. Wie lässt sich für den allgemeingesellschaftlichen Nutzen dieser Unternehmen argumentieren, wenn ihr oberstes Ziel ihre eigenen Interessen – sprich ihre Gewinne – sind?
Schlimmer wird es allerdings, wenn man sich jetzt die 2000er Finanzkrise genauer anschaut. Offensichtlich führten übermäßige Kreditvergaben und Spekulationen zum Absturz der Gesamtwirtschaft. Unmittelbarer Auslöser – und meiner Meinung nach auch die Schuldigen – waren Investmentbänker, die haltlos Kredite aufnahmen und diese wiederum risikoreich investierten. Mit ihren Vermögensbesitzen begründeten sie dann ihre Kreditwürdigkeit, um weiteres Geld aufzunehmen und zu investieren. Dabei investierten sie das bis zu 30fache ihres eigentlichen Vermögens. Da ist es logisch, dass alleine eine einzige Fehlinvestition riesige Schulden verursachen kann. Stellt euch vor: Ihr besitzt 10 000 Euro und wollt euer Geld in eine Aktie investieren. Aber statt die 10 000 Euro zu investieren, leiht ihr euch einfach weitere 300 000 Euro und investiert stattdessen die. Also ihr investiert Geld, das ihr garnicht besitzt und auf das ihr später noch Zinsen zahlen müsst. Dann geht ihr wieder zu einer Bank und sagt: „Schaut mal, ich besitze so viele Aktien. Ich bin kreditwürdig, deshalb möchte ich mir jetzt 500 000 Euro leihen“. Ganz schön irre, aber so ungefähr (das war natürlich vereinfacht) lief das damals. Jetzt ratet mal, wer nach der Krise gerettet wurde – vom Steuerzahler übrigens. Richtig, die Banken, die uns in die Scheiße hineingeritten haben. Die Kredite ausgegeben haben, obwohl offensichtlich war, dass diese Investmentbänker jederzeit das gesamte Geld verlieren könnten. Um das mal zu rekapitulieren: Die Banken verursachen eine Krise, die uns alle Geld kostet. Der Staat rettet die Banken, weil sie zu wertvoll seien – „too big to fail“ – von unserem Steuergeld. Steuergeld, dass wirklich zu großen Teilen von den Ärmeren gezahlt wird, da die Reichen immer einen Weg finden keine Steuern zu zahlen (Gewinnminimierung -> wer angeblich keine Gewinne hat, der kann auch nichts versteuern). Und jetzt können wir zu den geretteten Banken gehen und uns wieder Kredite holen, ist doch toll oder? Ja, klar. Wir können zu den Banken gehen und uns unser eigenes Geld für Zinsen leihen. Dankeschön, das hört sich fair an.
Das ist nur ein Teil der politischen Einflussnahme: Bankenrettungen. Wenn ein Unternehmen zu groß, zu wichtig wird, dann muss der Staat das Unternehmen retten. Das ist kein unabhängiger, souveräner Staat. Außerdem wenn die Banken wissen, dass sie sowieso gerettet werden, erzeugt das ein erhebliches Motiv weiter Risiken einzugehen, denn jetzt haben sie eine Win-Win Situation. Geht die Aktie durch die Decke, gewinnen sie. Stürzt sie ab und die Bank steht vor der Zahlungsunfähigkeit, kommt der Staat zur Rettung. Eins ist klar: Der Finanzsektor ist viel zu groß und mächtig – vor allem dafür, dass er nur Geld abschöpft und zentralisiert, um der Rendite willen, statt die Wirtschaft durch Investition in Produktion anzufeuern.
Wenn jemand die genaueren Mechanismen der finanzialisierten Kapitalismus lesen möchte, dem kann ich nur das Buch empfehlen. Mittlerweile entwickeln wir uns auf einen Überwachungskapitalismus zu. Ich klinge schon, wie ein panischer Kommunist, der die Systemrevolution anprangert, trotzdem sind das Themen, die uns alle betreffen und denen man sich bewusst sein sollte.
Direkte Einflussnahme – Finanzierung von Wahlkampagnen
Im genannten Buch, schreibt Andrew Sawyer (der Autor) ein gesamtes Kapitel alleine über die Einflussnahme auf die Regierung. Doch wie nehmen die Reichen den jetzt Einfluss?
Einerseits finanzieren Sie Wahlkampagnen. Am Beispiel der USA: Sowohl die demokratische Partei, die eher soziale Ansichten vertritt, als auch die republikanische Partei, die eher konservative u. neoliberale eingestellt ist. Wer sich auskennt kann sich gut vorstellen, dass die Republikaner mal gut und gerne von Großunternehmern finanziert werden, schließlich treten sie ja auch für deren Rechte ein. Erschreckend ist doch, dass der eigentliche Gegenentwurf, die Demokraten genauso von großen Unternehmen finanziert werden. Dass eine solche Finanzierung eine Abhängigkeit hervorruft und die politische Unabhängigkeit untergräbt, ist logisch. Barack Obama, ehemaliger Präsident der USA als Mitglied der demokratischen Partei, erhielt jeweils 700 000 $ von Microsoft und Google, den beiden Tech-Giganten und 1 000 000 $ von Goldman Sachs, einer der größten Investmentbanken der Welt. Obwohl ich Obama, bis auf seine militärischen Interventionen, mag, erklärt das warum unter ihm keine Regulierung der Tech-Konzerne angestoßen wurde.
Durch solche Finanzierungen verlassen wir eindeutig den Pfad der Demokratie. Man stelle sich vor, dass ein Unternehmen einfach beide Präsidentschaftskandidaten finanziert – Win-Win. Außerdem wählen viele Arbeiter die Demokraten. Diese hoffen, dass ihre Arbeitnehmer-Rechte gegenüber den Arbeitgebern durchgesetzt werden. Doch so ist das eher unwahrscheinlich. Da kann man schon mal das Vertrauen in die Demokratie verlieren… Passend dazu vielleicht zwei Zitate: „Reichtum ist, wie Mr. Hobbes bemerkt hat, Macht.“ (Adam Smith) und „Macht, nicht Weisheit macht das Gesetz“ (Thomas Hobbes).
Direkte Einflussnahme – Lobbyismus
Ein anderer Weg die politischen Vertreter zu ihren Gunsten zu beeinflussen ist Lobbyismus. Für viele sollte es ein Begriff sein. Lobbyisten sind Interessenvertreter verschiedener Unternehmen, die Druck auf Politiker ausüben ihren Interessen nachzukommen. Lobbyismus ist eigentlich etwas gutes, denn die Idee ist, dass Experten die Politiker auf gewisse Sachen aufmerksam machen und die Politiker daraufhin zwischen verschiedenen Interessen abwägen. Zum Beispiel:
Es geht um ein neues Gesetz, das vorsieht, dass Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Dann kommen zwei Lobbyisten, Interessenvertreter. Der eine vertritt einen Interessenverband der Kohleindustrie, der andere einen Interessenverband für Klimaschutz. Beide treffen sich 1mal mit dem Politiker, erläutern ihm seine Standpunkte und dieser wägt dann ab. So läuft demokratische Politik. Nun ein anderes Szenario; selbe Ausgangslage:
Wir haben wieder zwei Lobbyisten. Diesmal aber, bietet der Lobbyist von der Kohleindustrie dem Politiker sein Ferienhaus für 2 Wochen kostenfrei und eine großzügige Spende für den nächsten Wahlkampf an. Der Interessenvertreter des Klimaschutzes kann da nicht mithalten, beharrt zwar auf seine Position, kann aber keine Gelder anbieten – oder möchte es einfach aus moralischen Gründen nicht. Am Ende trifft sich der Politiker 5mal mit dem Interessenvertreter der Kohleindustrie und 1mal mit dem Lobbyvertreter vom Klimaschutz-Verband und am Ende entscheidet sich der Politiker dagegen Kohlenkraftwerke abzuschalten. Eins deutet sich an, die Reichen, die mit den Mitteln, können illegal Einfluss nehmen. Genauso, wie es jetzt bei Philipp Amthor rausgekommen ist. Oder bei Friedrich Merz, der nach seinen politischen Tätigkeiten direkt einen Job bei BLACKROCK bekam. Oder bei Sigmar Gabriel, der zufälligerweise nach dem Abtreten aus der Politik als Berater für Clemens Tönnies gearbeitet hat – Der ehemalige Sozialdemokrat half dem Typen seine Gastarbeiter auszubeuten, das nenne ich mal einen Plottwist.
Genauso, durch solche Einflussnahme, wurde auch der Neoliberalismus populärer als er es jemals hätte werden können. Der Neoliberalismus setzt viel auf den freien Markt, der Staat solle möglichst wenig regulieren, die Reichen sollen wenige Steuern zahlen, das wäre zwar ungerecht, aber dadurch würde die Wirtschaft am stärksten wachsen etc. Zusammenfassend setzt der Neoliberalismus darauf die Reichen reicher zu machen und die Armen ärmer. Und das allem unter dem Vorwand wirtschaftlichen Wachstums. Dabei sollte man sich vielleicht mal fragen, ob das denn wirklich stärkeren Wachstum bedeutet und ob wirtschaftlicher Wachstum überhaupt das wichtigste auf der Welt ist…
Abschließende Worte
Natürlich varriert das alles von Land zu Land. In manchen Ländern wird stärker, um das Geld der Großunternehmen gebettelt als in anderen. Mit Deutschland sind wir noch halbwegs unabhängig, aber von transparenter Lobbyarbeit kann da nicht die Rede sein. Genau das wäre sicherlich eine Lösung. Eine Obergrenze an Parteispenden, eine strikte Offenlegung von jeglichen Angeboten und vielleicht ist eine bessere Bezahlung von Politikern ein zusätzliches Instrument. Hauptsache die Reichen müssen aufhören ihre Politiker für die Reichen zu machen!