10. Klasse Deutschunterricht: Lyrik, Gedichte, Stilepochen. Dichter beschreiben die Ohnmachtsgefühle der Großstadt. Damals noch verursacht durch Sinneseindrücke aller erdenklichen Art. Ich, der die Großstadt gewöhnt bin, komme mit Lärm, Menschenmassen und dem schnellen Leben klar. Mit dem letzteren sogar sehr gut. Den Begriff „Ohnmacht“ kannte ich vorher nur wenn einer wegkippte; das Bewusstsein verlieren. Nun benutzten die Dichter und Denker um das 19. Jahrhundert herum, in der Zeit der Verstädterung in Deutschland, um auch eine Art Bewusstseinsverlust zu beschreiben.
Sie waren überfordert von all dem was passiert. Nicht nur Verstädterung, sondern ein allgemeiner Wandel, der sich im Berufswesen, der Umwelt, der Gesellschaft und politisch äußerte, überforderte die Menschen. Tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass es ein zweites Gefühl der Ohnmacht geben könnte. Überfordert durch die Komplexität des Lebens; Ohnmächtig
Der Computer und das Internet haben unser Leben auf eine neue Ebene gehoben, es sind die technologischen Fortschritte der jüngsten Menschheitsgeschichte. Wiederum ist Fortschritt auch wiederum, wie damals während der Industrialisierung, mit Überforderung und Kontrollverlust verbunden. Und durch das Internet muss ich nochmal auf mehr Dinge achten: „Pass auf deine Daten auf“, „achte auf die Quellen“, „Pass auf wem du glaubst“, „Lad dir keinen Virus runter“, „Gib keinem Fremden deine Nummer“. Aber nicht nur diese Gefahren, viel ohnmächtiger lässt einen etwas anderes werden…
Jeder kann im Internet etwas beitragen. Das scheint gut. Doch mal ganz im Ernst. Das alles ist unglaublich widersprüchlich. Kein Wunder, dass manche Menschen nicht mehr wissen, was sie glauben sollen. Im Internet kann jeder seine Meinung sagen, jeder sagt was er denkt und jeder stellt seine eigenen Theorien auf. Ich habe ein Problem und im Internet finde ich locker 20 verschiedene Lösungsansätze. Mein Arm schmerzt und im Internet bekomme ich Antworten aller Art: „Den Arm schonen“, „Such einen Arzt auf“, „Kauf dir diese Salbe“, „trainiere deinen kleinen Zeh, das könnte ein Ungleichgewicht sein“, „einfach Cortisol in den Armen und weg ist der Schmerz“, „Wohnst du neben einem Funkturm? Die Strahlen zerfressen deine Gelenke“. Lauter absurdes Zeug, doch leider lässt sich manchmal Sinnvolles und Quatsch nicht gut unterscheiden. Auf jede Frage hat das Internet 15 komplexe Antworten. Wahrscheinlich auf jede Antwort sogar nochmal 3 Fragen.
Ein anderes Beispiel: Jemand möchte abnehmen, er sucht nach der Diät. Disclaimer: Ganz ehrlich, falls ihr das vorhabt, geht zu einem Experten vor Ort (Ernährungswissenschaftler, was auch immer) aber diese Welt heutzutage in ihrer Schnelligkeit bietet dir 5000 Diäten an und irgendwann weißt du nicht mehr was du glauben sollst. „Kein Fleisch“, „keine Kohlenhydrate, viel Fett“, „viele Kohlenhydrate, wenig Fett“, „viel Fleisch“, „kein Gluten und keine Laktose. Warum, wenn ich garnicht intolerant bin? Keine Ahnung, hab ich mal gelesen“.
In manchen Momenten ist das einfach zu viel; wem kann man glauben? Manchmal wünschte ich mir, es gäbe immer eine simple Antwort, denn am Ende habe ich 10 Antworten und denke über alle nach und am Ende kommt nichts bei raus…