Vor einigen Tagen tauschte ich mich mit einem Kollegen aus, der momentan auch einen Freiwilligendienst in der Obdachlosenhilfe macht. Er erinnerte mich daran, wie spannend die Biografien der Menschen sind, mit denen wir arbeiten. Aufschreiben müsse man das und sammeln – zumindest für sich selber. Ja, absolut.
Schon zu Beginn meines Freiwilligendienste war mir klar, dass ich meine Erfahrungen dokumentieren möchte. Nichts anderes tu ich mit diesem Blog. Hier habe ich schon über einige Erfahrungen und Erlebnisse geschrieben und auf eine gewisse Art und Weise, war es schon immer Therapie für mich, über meine Erfahrungen zu schreiben. Es hilft mir Dinge einzuordnen und zu verstehen.
Über die Einwohner meiner Obdachlosenunterkunft zu schreiben, war eins der naheliegendsten Themen für meinen Blog. Im Generellen könnte ich viel mehr von der Arbeit erzählen. Heute wollte ich mich endlich daran setzen und dieses Gebot realisieren: einen Artikel über die obdachlosen Personen.
Ich konnte es nicht.
Es hat nichts damit zu tun, dass ich zu wenig hätte, worüber ich schreiben kann oder dass ich nicht wüsste, wie ich anfangen oder damit umgehen soll. Nein, das Problem ist ein anderes. Es ist zu komplex. Mir fallen zu viele Dinge ein. Es ist schlichtweg überwältigend. Wenn ich Beginn über einen dieser Menschen zu schreiben, sprudeln die Gedanken und Hintergründe und Spekulationen und Analysen nur so aus mir heraus. Ich kann sie nicht beisammenhalten. Es fühlt sich an als ob ich platze!
Mein erster Versuch diese Erfahrungen zu verarbeiten, war der Roman, den ich zu schreiben begann. Wer ein Manuskript lesen möchte, der möge sich bei mir melden. Wenn ich mich richtig erinnere, handelt es sich bisher um ca. 60 Seiten.
Ab einem gewissen Punkt habe ich es unterbrochen. Mein Fokus lag auf anderen Projekten und der Roman hat mir so viele Anstrengungen bereitet, dass ich es nicht mehr nebenbei ertragen konnte. Es hat sich nicht mehr wie ein „von-der-Seele-schreiben“ angefühlt. Im Nachhinein glaube ich, dass ich den falschen Schwerpunkt gesetzt habe und dass ich diese Geschichte auf jeden Fall in einer Form zu Ende schreiben werde. Momentan liegen meine Prioritäten aber an anderer Stelle.
Wie auch immer: Zu einem wesentlichen Teil hatte ich bei meinem Roman aber zumindest das Gefühl, dass ich genug Zeit, Raum und Freiheit habe, meine Gedanken ohne Rücksicht auf Verluste auf’s digitale Papier zu bringen.
Der räumliche Rahmen eines wöchentlichen Artikels reicht mir dafür nicht. Ich glaube, das ist es… Ich brauche mehr Raum, um diese Charaktere und Beobachtungen zu entfalten. In irgendeiner Form sind es auch Ideen über die Beschaffenheit dieser Welt, die in diesen Menschen leben… die kann ich nicht in einen schnell verfassten Artikel pressen.
Ich verspreche, dass ich mich nicht vor der Aufarbeitung dieser Realitäten drücken werde. Ich muss mir aber die Gefühle eingestehen, die das Schreiben über diese Erfahrungen bei mir auslöst und dass ich diesen Gefühlen die Luft zum Atmen geben muss. Ich kann es mir nicht leisten, sie auf einer zu kleine Leinwand zu verwirklichen.