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Wie Verantwortung vom produzierenden Unternehmen auf den Konsumenten übertragen wird

Sascha Lobo schreibt in seinem Buch „Realitätsschock“ „Mit groß angelegten Kampagnen verschiebt die Plastikindustrie die Alleinverantwortung für die Müllflut – auf die Kunden“.
Die Plastikpropaganda ist nur ein Beispiel für das Verschieben der Debatte vom Produzenten zum Konsumenten. Es wirkt im Nachhinein wie die Vorlage für weitere Propaganda in anderen Bereichen, v.a. in der Umweltdebatte.

1969 erschien in der New York Times ein Artikel zur „Dritten Verschmutzung“, der Plastikverschmutzung. 1970 thematisiert President Nixon die fehlende Möglichkeit Plastik abzubauen. 1971 schreibt der Spiegel seinen ersten Artikel zum Thema Plastikverschmutzung.

Es waren andere Zeiten. Plastik war Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs. Der eine Stoff, aus dem sich alles herstellen ließ. Die Universallösung für alle Verpackungsprobleme. Heute unvorstellbare Aussagen wie „Was nicht verottet, kann auch nicht schaden“ (FAZ) gelten im Gegensatz zu heute als wenig verwerflich. Die Menschen wollen nicht hinter die Kulissen schauen und glauben, was sie glauben wollen.

Es kommt zu einer Verschiebung der Allgemeinverantwortung auf die Kunden. Vorsitzender des Umweltverbandes „Keep America Beautiful“ ist zeitgleich Chef einer Einwegdosenfabrik. Slogans wie „Menschen verschmutzen die Umwelt. Und Menschen können die Verschmutzung stoppen“ bauen geschickt Druck von den verantwortlichen Produzenten ab.

Selbst Margaret Thatcher ist dieser Ansicht: „Das liegt nicht in der Verantwortung der Regierung, es ist die Schuld der Leute, die diesen Müll bedenkenlos wegwerfen“. Natürlich trägt der Konsument eine Verantwortung. Das grundlegende Problem liegt trotzdem bei den verantwortlichen Produzenten von Einweg-Plastikprodukten.

Ähnliches passiert gerade im Zuge des Klimawandels. Gott sei Dank nicht ausgeprägt und trotzdem, es passiert. Vor allem mit dem Ziel junge Klimaprotestanten zu diskreditieren. „Was tust du denn persönlich gegen den Klimawandel?“.

Heutzutage sind es nicht korrupte Vorsitzende eines „Umweltschutzverbandes“, sondern liberal-konservative Politiker oder Wirtschaftsfanatiker. „Friedemann Stöckle holt tief Luft. „Es ist eine riesige Verantwortung für den Konsumenten“, sagt der Experte der Nürnberger Marktforschungsgruppe GfK“, ein Zitat aus einem Tagesspiegel Artikel zur Verantwortung des Konsumenten. Weiter stellen die Marktforscher fest: „Verbraucher wüssten nicht, welcher Kauf das Klima wirklich schützt. Handel und Hersteller müssten für Klarheit sorgen, um gezielte Käufe zu ermöglichen.“

Handel und Hersteller weigern sich jedoch, sie fürchten den Nachfrageverlust. Andere wiederum nutzen die Unsicherheit der Konsumenten aus und bleiben bei gewohnten, nicht umweltfreundlichen Produkten. Die Hersteller könnten mit ihrer Stellung sicherlich umweltfreundliche Produkte sinnvoll in Szene setzen und zum Verkaufsschlager umwandeln.

Obwohl Handel und Hersteller diese Optionen hätten, wird weiter vom Konsumenten erwartet seine Verhaltensweisen zu ändern. Vegan leben, CO2-freie Fortbewegungsmittel nutzen oder Plastikverpackungen strikt meiden.

Am Beispiel Plastikverpackungen in Supermärkten ist es so simpel zu veranschaulichen. Biete den Leuten keine Plastikverpackungen mehr, was bleibt ihnen übrig? Stoffverpackungen nutzen oder Plastikverpackungen wiederzuverwenden. Eine wettbewerbsübergreifende Einigung verschiedener Lebensmittelhändler wäre dabei ein einfacher Schritt, der keinen Wettbewerbsnachteil mit sich ziehen würde. Würde Handel und Hersteller, aber auch die Politik wirklich etwas ändern wollen, könnten sie zu konkreteren Maßnahmen greifen. Stattdessen wird der protestierende 14-Jährige gefragt, ob er denn selbst vegan lebe, ansonsten dürfe er ja nicht für Klimaschutz einstehen.

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