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Corona und unsere globalisierte Welt

Das Band, das die globale Welt zusammenhält, scheint zu reißen – dank Corona. Grenzen werden geschlossen, die Produktion ins eigene Land zurückverlagert und Finanzhilfen verwehrt. Und das in der Zeit, wo die gesamte Welt eigentlich einen gemeinsamen Feind hat.

Lasst uns dieses Drama von Beginn an aufrollen. China verheimlicht den Ausbruch eines neuartigen Coronavirus, keiner hat einen Einblick. Hier beginnt es. Kurz nach dem Ausbruch, noch bevor es wirklich ernst wurde, werden bereits asiatische Mitbürger als Corona-Übertrager stigmatisiert. Ein jugendlicher Leichtsinn ist da noch zu verzeihen. Im Gegensatz dazu, sollte eine erwachsene Person ein bisschen rationaler denken. Worauf ich hinaus möchte: Bereits hier beginnt die Idee der bösen Chinesen, die Schuld am Virus seien. Man übertragt die Schuld, das ist das erste Problem. Das zweite, dass man ein ganzes Volk, 1,4 Milliarden Einwohner wohlgemerkt, über einen Kamm schert. Später von Trump auf die Spitze getrieben, indem er das Coronavirus als Wuhanvirus bezeichnet. Es wird nicht global gedacht, vielmehr national und rassistisch.

Italien, betroffen wie kein anderes Land vom Virus, braucht Ressourcen im Management der Krise und bittet innerhalb der EU um Hilfe. Kein europäisches Land hilft den Italienern signifikant, weil sie die Ressourcen für sich selbst vorbehalten möchten. Erst wir, dann die anderen. Eigentlich sehr egoistisch, wenn man darüber nachdenkt. Noch egoistischer, wenn man bedenkt, dass eine Eindämmung des Virus in Italien uns allen hilft. Und noch viel egoistischer, wenn man im Geschichtsunterricht aufgepasst hat. Dann weiß man schließlich ganz genau, wie die Hilfe anderer, ich spreche u.a. vom Marshallplan uns Deutschen zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen hat. Wiederum schlimmer wirkt es angesichts der Einsparungen im Gesundsheitswesen, die Italien von der Europäischen Union aufgetragen wurden und unter denen sie jetzt leiden. Letztendlich erhielt Italien öffentlichkeitswirksam Hilfe aus Russland und China. Schnell wirken zwei, um es freundlich auszudrücken, autokratisch geführte Staaten als Retter. Kein Wunder, dass die Italiener seit der Krise nicht gut auf die Deutschen zu sprechen sind.

Jeder setzt auf sein eigenes Land, jeder will seine eigene Bevölkerung schützen. Vielleicht ist der Gedanke, dass wir nicht Deutsche, Italiener oder Spanier, sondern Menschen immer noch utopisch. Grenzen werden geschlossen und kontrolliert. In diesem Zusammenhang fiel der ironische Witz: „Gott sei Dank macht das Virus ja an Grenzen halt“, der leider ein bisschen einseitig ist. Der Virus macht zwar nicht an Grenzen halt, solange aber nationale Maßnahmen und nicht europäische – oder gar globale – Maßnahmen getroffen werden, machen geschlossene Grenze es um einiges einfacher Infektionsketten nachzuvollziehen und Menschen zu schützen. Hätten wir internationale Maßnahmen wäre das natürlich nicht notwendig.

Es scheint als würde die Globalisierung einen Rückschritt machen. Letztendlich ist das in der Hand der Bevölkerung. Mindestens in den Demokratien jedenfalls. Auch wenn es viele nicht demokratische Staaten gibt, müssen diese sich am Ende an ihre Wirtschaftspartner anpassen. Und unter den Industrieländern sind nun mal viele demokratische Staaten. Natürlich nur solange der Rechtsruck im Zuge des Virus nicht nochmal verstärkt wird. Nur in welche Richtung gehen wir den jetzt politisch und gesellschaftlich nach der Krise? Versuchen wir es mit Soziologie:

Karl Polanyi veröffentlicht 1944 sein Buch „The Great Transformation“, in dem er u.a. das Bevölkerungsverhalten zum Schutz der Folgen des freien Marktes beschrieb. Das beschriebene Phänomen wird auch das „Polanyische Pendel“ genannt. So folge nach jeder wirtschaftlichen Krise entweder ein Umschwung nach Links in Richtung „Demokratischer Sozialismus“ oder nach Rechts in Richtung Faschismus. Dieses Phänomen lässt sich auch auf die Folgen des freien Marktes durch den Virus anwenden.

Wahrscheinlich gibt es bisher eher eine Bewegung nach Rechts. Verschwörungstheorien, die eben vor allem aus dem rechten Spektrum kommen, finden besonderen Anklang. Die nationalistischen und rassistischen Gedanken der Menschen finden noch mehr Legitimation als vorher. Vorher sorgte die AfD mit ihren rassistischen Aussagen dafür, dass solche Einstellungen mittlerweile fast normal wirken, jetzt die Grenzschließungen.

Wobei man sich doch fragen müsste, warum die Bewegungen so nach Rechts verlaufen, denn eins lernt man durch die Krise doch sicher: Nationalistisch geprägte Staaten, wie eben die USA – momentan jedenfalls unter Trump -, Brasilien unter Bolsonaro oder Russland unter Putin haben besonders zu mit dem Virus zu kämpfen. Demokratische Sozialstaaten, wie Deutschland schneiden mindestens angesichts der Toten um einiges besser ab.

Weitergedacht fällt auf, dass Corona ein globales Phänomen ist, dass mit globalen Maßnahmen am besten zu bekämpfen wäre. Gesundheitliche Krisen sind eben etwas globales, was sich auch am besten global bekämpfen lassen würde. Dabei geht es ja schon im Föderalismus der deutschen Staaten los. „Dezentralisierung“ war einer der vier bekannten D’s auf die sich die Siegermächte nach dem zweiten Weltkrieg einigten. Das birgt eine wichtige Sicherheit und einen wichtigen demokratischen Aspekt. Jedoch sind gesundheitliche Krisen eben nicht der Moment, um auf die Rechte seines Staates zu bestehen, sondern um gemeinsam Lösungen zu finden. Denn letztendlich würden Maßnahmen auf internationaler Ebene auch national mehr negative Folgen verhindern, als wenn man den Alleingang wagt.

Wie es scheint wird die Coronakrise den Weg für nationalistische Populisten bereiten – jedenfalls momentan. Es besteht immer noch die Hoffnung, dass die Menschen aus der Krise lernen und verstehen, dass globale Phänomene gemeinsam bekämpft werden müssen. Die Menschen gegen den Virus. Nicht die einzelnen Länder gegen den Virus.

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