Eine Debatte, die momentan wenig Aufmerksamkeit der Gesellschaft zubemessen bekommt. Allerdings steckt in der Frage nach einer Erbschaftssteuer eine zentrale Facette der Frage nach einer gerechten Gesellschaft – jedenfalls für mich.
Was ist eine gerechte Gesellschaft?
Für mich verbirgt sich hinter dieser Debatte die Frage, was eine gerechte Gesellschaft charakterisiert und auf welche Art und Weise ein Staat zugunsten einer gerechteren Gesellschaft einzugreifen hat. Versuchen wir uns erstmal auf Merkmale einer gerechten Gesellschaft zu einigen: Ein Thema über das man sicherlich lange sprechen kann. Um den Rahmen nicht zu sprengen, möchte ich insbesondere Chancengleichheit und den Respekt vor der Würde des Menschen und seiner persönlichen Freiheiten als unverzichtbare Elemente einer gerechten Gesellschaft nennen. Chancengleichheit beschreibt einen unerreichbaren Zustand, eine utopische Hoffnung, die anzustreben jedoch das Ziel aller politischen Bestrebungen sein sollte. Die Würde des Menschen und seine persönlichen Freiheiten zu schützen sollte allerdings genauso Ziel aller politischen Bestrebungen sein. Manchmal wirken diese Kräfte zusammen, manchmal jedoch bedeutet mehr Chancengleichheit einen Eingriff in die Würde und die persönliche Freiheit des Menschen.
Chancengleichheit als Ziel
Chancengleichheit als Wunschgedanke innerhalb einer gerechten Gesellschaft ist omnipräsent. Warum es Kindern aus Nichtakademikerfamilien ein großes Anliegen ist, erschließt sich aus der Hoffnung auf soziale Mobilität. Kinder aus Akademikerfamilien sind meist weniger betroffen, diskutieren trotzdem viel über das Thema. Quoten sind das einfachste Beispiel. Sie fügen ein Kriterium zum Auswahlprozess hinzu, das zum Zeitpunkt der Einführung meist mehr Ideologie als tatsächliche wissenschaftliche Empfehlung ist, und im Endeffekt versucht Ergebnisgleichheit zum Leidwesen der Chancengleichheit herbeizuführen.
Dass Ergebnisgleichheit nicht erstrebenswert ist, zeigt sich nicht nur in jeglichen historischen Beispielen des Sozialismus, sondern auch in der damit einhergehenden Entwertung alles Wertvollen. Ist es nicht weniger wert, wenn ich ohne eine Quote nicht in diese Position gekommen wäre? Kleine Anmerkung an dieser Stelle: Tatsächlich lässt sich dasselbe auf systematische Diskriminierung übertragen; was ist es wert, wenn ich nur in dieser Position bin, weil Schwarze systematisch vom Wettbewerb ausgeschlossen werden und dadurch meine Konkurrenz kleiner ist. Gedankengänge, die es wert sind drüber nachzudenken ;). Ich denke auch an Michael Endes Klassiker „Die Unendliche Geschichte“, in der eine kleine harmonische gleiche Gesellschaft vorkommt, die aber leider nicht merkt als einige ihrer Leute über Bord fallen. Alle sind gleich, was zählt das Individuum dann?
Liberaler Widerspruch
Zurück zur Chancengleichheit: Liberale sprechen gerne über Chancengleichheit, denn für sie ist es ein wichtiges Thema. Bei Chancengleichheit geht es nun mal auch um Anerkennung von Leistung. Ob ihre Methoden es erreichen würden, ist eine andere Frage. Viel interessanter ist der dogmatische Widerspruch der Liberalen zwischen ihrem Bestreben von Chancengleichheit und dem Willen die Erbschaftssteuer abzuschaffen beziehungsweise zu reduzieren. Inwiefern passt es denn zur Chancengleichheit, dass beim Rennen um den sozialen Aufstieg der Erbe kurz vor der Ziellinie startet, während die meisten ganz gewöhnlich von der Startlinie starten? Was hat dieses Konzept von Chancengleichheit zu bedeuten? Wir versprechen euch: jeder kann es schaffen, wenn er hart genug arbeitet aber im Kleingedruckten findet sich die ernüchternde Realität, dass man dafür geschätzte 10mal so hart arbeiten muss. Ich glaube nicht, dass sich diese Differenzen in der Startposition komplett eliminieren lassen. Minimieren lassen sie sich zumindest. Dabei sollte aber stets auf die Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Schließlich stellt Chancengleichheit und Leistungsgesellschaft nicht das einzige Ideal einer gerechten Gesellschaft dar. Es kommt ein Punkt ab dem ein Eingriff zugunsten der Chancengleichheit einen überproportionalen Eingriff in die anderweitigen persönlichen Freiheiten darstellen würde und an dieser Stelle ist der Bogen überspannt.
Leistungs- und Wertegesellschaft
Es gibt Argumente gegen die Erbschaftssteuer. Eine Kritik ist natürlich, dass der Vererbende hart gearbeitet hat und es ungerecht ist, dass dieser Besitz nun zu großen Teilen in die Hand des Staates übergeht. Ich denke nicht, dass der Erbe einen besonderen Anspruch auf dieses Geld hat. Hier gibt es meiner Meinung nach keine Würde und persönliche Freiheit der Erben zu achten, denn wir erschließen den Erb-Anspruch nicht auf Grundlage von Verwandtschaft, sondern aus dem Willen des Verstorbenen. Der Verstorbene darf aufgrund seiner Würde und seiner Freiheiten meiner Auffassung nach unzweifelbar über sein Erbe entscheiden. Und natürlich ist das Erbe im Normalfall bereits vorher versteuert worden. Allerdings bin ich überzeugt, dass es gerecht ist diesen Eingriff in die persönliche Verfügungsmacht über sein Vermögen des Verstorbenen zu vollziehen, um mit dem Geld strukturelle Ungleichheiten zu bekämpfen und die Chancengleichheit zu fördern.
Familienunternehmen
Ein plausibles Argument, das mir gerade in den Kopf kam, ähnelt der Entwicklung des Menschen. Wir können heute nur solch komplizierte Technologien entwickeln, weil unsere Vorfahren bereits unglaublich viele Erfahrungen und Informationen gesammelt haben. Unsere Technologien bauen auf Früherem auf. Schaden wir durch Erbschaftssteuern und durch das Verhindern familiärer Dynastien nicht Unternehmen, die langfristig denken und einem höheren Ziel folgen als der bloßen finanziellen Gier – wie die ein oder anderen DAX-Konzerne. Das ist wirklich ein sinnvolles Argument und dementsprechend würde ich bei Familienunternehmen für eine geringere Besteuerung als bei Privatvererbungen plädieren. In der Praxis erfordert solch eine Regelung natürlich enormes juristisches Fingerspitzengefühl und eine funktionsfähige Strafverfolgerungsbehörde damit jegliche Möglichkeiten zur Umgehung des Erbsteuerrechts verhindert werden. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass vielleicht wenige Familien durch die Steuerentlastungen dank eines Familienunternehmens tatsächlich ein Unternehmen gründen. Nicht der Steuerhinterziehung wegen, sondern um wirklich ein Familienunternehmen aufzubauen, was ja durchaus eine sehr erfüllende Aufgabe sein kann.
Wohin mit den Steuereinnahmen?
Das gewonnene Geld kann der Staat nutzen, um Chancengleichheit fördernde Infrastruktur zu schaffen. Wichtig ist hier, dass die Alternative; dass Erben schlichtweg einen Prozentsatz des Geerbten auf eigenem Wege spenden zwei Problematiken aufweist. Einerseits wären die tatsächlichen Spenden wahrscheinlich in den meisten Fällen nicht annähernd so hoch wie der Steuersatz – viele würden wahrscheinlich überhaupt nicht spenden. Andererseits ist der Staat das demokratisch legitimierte Organ zur Verteilung der Gelder, während private Spenden meist fragwürdigen Motiven folgen.
Was ich für unglaublich naiv und idealistisch halte, ist der Gedanke, dass aus diesen Erbschaften super viele Arbeitsplätze entstehen würden und jeder davon profitieren würde. Das ist schlichtweg eine Wunschvorstellung. Zeigt mir Statistiken, die darstellen aus wie viel geerbtem Geld wie viele Arbeitsplätze entstehen. Da wird der Staat sicherlich etwas sinnvolleres mit dem Geld anzufangen wissen. Ein interessanter Gedanke, auf den ich gestoßen bin, ist eine monatliche Abzahlung der Erbschaftssteuer. So könnte das Geerbte als eine Form eines großen Kredits dienen und das sinnlose Verbrennen des Geerbten wird verhindern und stattdessen Anreize für langfristige Investitionen gesetzt.
Ich bin fest überzeugt, dass es auch im Interesse jedes Elternteil ist, dass das eigene Kind nicht maßgeblich von seinem Erbe lebt. Wie soll ein Kind jemals zu einem Individuum werden, zu einer Person mit Persönlichkeit, wenn sie sich stets über das Geschöpfte seiner Eltern definieren muss. Ist es nicht eine Obligation seinem Kind spätestens mit dem Beenden des Studiums die Freiheit zu schenken eine eigenständige Person zu werden? Ist es nicht egoistisch dem Kind das Ausbilden einer eigenen Person zu verwähren? Ich sage nicht, dass man nicht als angstlösendes Rettungsnetz hinter seinem Kind stehen sollte. Insofern der Staat dieser Aufgabe nicht gerecht wird, sollten die Eltern bereitstehen. Wahrscheinlich ist in diesem Fall dem Allgemeinwohl sogar dadurch gedient, dass die Eltern das Fallnetz spannen und der Staat seine Kapazitäten für Notbedürftigere aufsparen kann.
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, warum ich eine Erbschaftssteuer befürworte. Ich freue mich über jeglichen Diskussionsbedarf 🙂